Bunte Unterwasserwelt: „The Little Mermaid“ in den Niederlanden
Nach einem eher misslungenen Start am Broadway hat das Disney-Musical „The Little Mermaid“ inzwischen das europäische Festland erreicht und zieht aktuell in einer Tourneefassung durch zahlreiche niederländische Städte. Wie üblich, wenn ein Disney-Musical den Weg vom Broadway nach Europa findet, wurde auch „The Little Mermaid“ noch einmal grundlegend überarbeitet. Doch nach wie vor kann es mit anderen Disney-Shows wie „Tarzan“ oder „Die Schöne und das Biest“ nicht mithalten – weder von der Storyline her noch von der Musik oder Inszenierung.
Das Bühnenbild fällt in den Niederlanden im Vergleich zur Broadway-Aufführung teilweise etwas spärlicher aus, was sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass es sich um eine Tournee handelt. Dies wird zum Beispiel am Schiff Prinz Eriks deutlich, das sich lediglich wie eine etwas größere Badewanne über die Bühne schiebt. Die Szene „Ze is verliefd“ („She’s in Love“) wurde dagegen etwas aufgewertet, indem Arielles Schwestern nun nicht mehr bloß am Bühnenrand stehend singen, sondern sich jetzt in einem Unterwasser-Friseursalon befinden.
Auch die Kostüme wurden zu einem Großteil geändert. So kommen die Meerjungfrauen und König Triton nicht mehr mit einer an der Hüfte befestigten Flosse daher, sondern in feinen Stoffbahnen, die ihre Beine verhüllen und wie eine Flosse wirken. Die Meeresbewohner bewegen auch nicht mehr auf so genannten Heelys (Schuhe mit integrierten Rollen) fort. Arielle und Triton hängen jetzt an fast nicht sichtbaren Stahlseilen, so dass die Illusion der Unterwasserwelt noch verstärkt wird, wenn sie mit Schwimmbewegungen über die Bühne schweben.
Fragwürdig ist allerdings die Gestaltung von Arielles Frisur, die steif nach oben ragt. Der Hintergrund ist dabei, dass dies ebenfalls symbolisieren soll, dass sich die Meerjungfrau unter Wasser befindet und ihre Haare nach oben treiben. Damit die Haare jedoch so steil nach oben treiben, müsste Arielle dauerhaft nach unten schwimmen. Ein guter Ansatz, der nicht ganz zu Ende gedacht wurde. In den Szenen an Land trägt sie ihre Haare aber offen.
Das Kostüm der Meereshexe Ursula ist in den Niederlanden weniger aufwändig als am Broadway ausgefallen und lässt Marjolijn Touw in ihrer Rolle vor allem durch die Neonfarben wie eine aus Disneyland entlaufene Plüschfigur wirken. Ihre Fangarme werden zudem von sechs Darstellern bewegt, was ebenfalls etwas befremdlich wirkt. Bedrohlich wirkt diese Meereshexe nicht.
Was jedoch sehr schön umgesetzt wurde, sind die Szenen an Land im zweiten Akt, nachdem Arielle von Ursula in einen Mensch verwandelt worden ist. Hier füllt ein überdimensionales Märchenbuch fast die gesamte Bühnenbreite aus. Mit jedem Umblättern einer Seite entsteht eine neue Szene, wie die Schlossküche, der Speisesaal oder Arielles Schlafzimmer. Grandios hier vor allem der Song „Ik wou maar“ („If only“), der sich vom Solo zu einem Duett, dann weiter zu einem Terzett und letztendlich zu einem Quartett von Arielle, Erik, Sebastian und Triton entwickelt.
Ohnehin sind alle Rollen durchweg stark besetzt. Allen voran begeistert die 20-jährige Tessa Sunniva van Tol, die in den Niederlanden als Popsängerin bekannt geworden ist und eine entzückende Arielle gibt. Van Tol ist für ihr junges Alter schauspielerisch sehr stark und überzeugt im ersten Akt als neugierige Meerjungfrau genauso wie im zweiten Akt als Mensch. Ihre Songs liefert sie mit starker Stimme ab. Ein Höhepunkt gelingt ihr mit der emotionalen Interpretation von „Daar ligt mijn Haart“ („Part of your World“).
Ein ihr ebenbürtiger Prinz Erik ist Tommie Christiaan, der mit klangschöner Stimme singt. Schauspielerisch gibt sein Part buchbedingt zwar nicht viel her, doch gelingt es ihm, einen von seinem Ziel geleiteten, verliebten Prinzen zu spielen. Mit durchdringender Bühnenpräsenz und charaktervoller Stimme gibt Roberto de Groot den König Triton. Die Balance zwischen Arielles strengem wie sorgendem Vater und dem Respekt einflößenden König gelingt ihm mit Bravour. Auch Marjolin Touw spielt und singt als Meereshexe Ursula rollendeckend, wirkt aber wie bereits beschrieben durch ihr übertrieben buntes Kostüm nicht wirklich bedrohlich.
Mit der farbenfroh umgesetzten Nummer „Onder de Zee“ („Under the Sea“) reißt Juan Wells als Krabbe Sebastian das Publikum mit, während er genauso wie Dick Cohen als Seemöwe Jutter (heißt im Film Scuttle) sämtliche Lacher des Publikums auf seiner Seite hat. Arielles Freund Botje (heißt im Film Fabius) wird in den Niederlanden von Martijn Vogel und nun erstmals von einem erwachsenen Darsteller verkörpert. In der Broadway-Version wurde diese Rolle noch von einem Kind dargestellt. Musikalisch wechseln sich stimmige Nummern mit hübschen Balladen, aber manchmal auch mit belanglosen Songs ab. Die neuen Lieder von Alan Menken ergänzen die bereits bekannten Filmsongs sehr gut.
Am Ende verspricht die Show kurzweilige Unterhaltung. Einzig die Stepptanzszene „Pozetieverik“ („Positoovity“) der Seemöwen zu Beginn des zweiten Akts und der Song „Les Poissons“ von Chef Louis (gespielt von Ger Otte) fallen aus dem Rahmen. Wer sich aber in eine bunte Unterwasserwelt entführen und zudem gut unterhalten lassen möchte, wird an „The Little Mermaid“ definitiv Gefallen finden.
Text: Dominik Lapp