„MJ“ in Hamburg (Foto: Dominik Lapp)
  by

Absolut perfekt: „MJ – Das Michael-Jackson-Musical“ in Hamburg

Das Michael-Jackson-Musical „MJ“, das jetzt im Theater an der Elbe in Hamburg seine Deutschlandpremiere gefeiert hat, ist weit mehr als ein nostalgischer Abend für Fans des King of Pop. Es ist ein kraftvolles Bühnenwerk, das die Magie seiner Musik mit den Tiefen seines Lebens verbindet und dabei neue Perspektiven auf eine der größten Ikonen der Popgeschichte eröffnet.

Das Stück spielt an zwei Tagen im Jahr 1992, während Michael Jackson sich mit seinem Team auf den Start seiner „Dangerous“-Welttournee vorbereitet. Begleitet wird er von einem MTV-Kamerateam, das ihn während der Proben für eine Dokumentation filmt und damit Einblicke in sein künstlerisches Schaffen ermöglichen möchte.

Die Rahmenhandlung (Deutsche Dialoge: Ruth Deny) dient dabei als Sprungbrett für eine tiefere Erzählung. Immer wieder werden Rückblenden in Jacksons Kindheit und frühe Karriere eingestreut. Diese Szenen bringen sowohl nostalgische als auch nachdenklich machende Momente auf die Bühne. Jacksons Kindheit als kleiner Star der „Jackson 5“, die strenge Erziehung durch seinen Vater Joseph und die ersten Schritte als Solokünstler werden lebendig. Besonders beeindruckend ist, wie die verschiedenen Zeitebenen miteinander verschmelzen. Dank des genialen Buches von Lynn Nottage, das die Songs (alle auf Englisch) und das Leben von Michael Jackson geschickt miteinander verwebt, entsteht eine sehr dichte Erzählung, die mehr ist als eine reine Biografie.

Christopher Wheeldon hat mit seiner Regie und Choreografie eine Inszenierung geschaffen, die fließend zwischen Konzertszenen, Probenatmosphäre und privaten Einblicken wechselt. Unterstützt durch das detailreiche Bühnenbild von Derek McLane und die stimmungsvollen Lichtinstallationen von Natasha Katz entsteht eine Bühnenwelt, die zugleich beeindruckend und intim wirkt. Die Projektionen von Peter Nigrini tragen dazu bei, das Publikum direkt in Michael Jacksons Welt zu versetzen – zum Beispiel in das „Thriller“-Musikvideo. Auch die Kostüme von Paul Tazewell sind sehenswert und lassen Michael Jackson mit seiner typischen Kleidung, Gürtel, Hut und Glitzerhandschuh wiederauferstehen. Sehr gelungen sind zudem in der Pressekonferenz-Szene die Kostüme der Reporter, in deren schwarze Mäntel Zeitungsschlagzeilen eingearbeitet wurden.

„MJ“ in Hamburg (Foto: Dominik Lapp)

Die elfköpfige Band unter der Leitung von Aday Rodriguez Toledo liefert mitreißende Interpretationen der größten Hits des King of Pop (Orchestrierung und Arrangements: David Holcenberg und Jason Michael Webb). Vier Bandmitglieder sind zudem für das Publikum sichtbar auf der Bühne platziert und in die Handlung integriert. Ein besonderer Moment entsteht so zum Beispiel, als Gitarristin Celine Peren in die Szene tritt und neben MJ-Darsteller Benét Monteiro spielt.

Monteiro in der Rolle von MJ trägt die Show mit einer Performance, die nicht nur stimmlich, sondern auch in Bewegungen und Ausdruck unglaublich authentisch wirkt. Kein Wunder: Um die typischen Jackson-Bewegungen zu trainieren, wurden mit Rich und Tone Talauega zwei Coaches engagiert, die einst vom King of Pop entdeckt wurden und mit ihm auf Tour waren. So gibt Benét Monteiro MJ mit einer Intensität, die den Charakter greifbar macht. Noch bemerkenswerter ist jedoch Prince Damien als jugendlicher Michael, der die Figur mit solcher Hingabe spielt, dass man kaum glauben mag, ihn nicht leibhaftig vor sich zu sehen. Seine gesangliche Leistung ist schlichtweg überwältigend und erinnert stark an den echten Michael Jackson.

Auch die anderen Darstellerinnen und Darsteller leisten Großartiges. Vor allem merkt man, wie intensiv mit den Kinderdarstellern gearbeitet wurde. Weil die Show nicht chronologisch, sondern in Rückblicken erzählt wird, ist Luan als kleiner Michael bis zum Schluss auf der Bühne und punktet mit einer genauso rührenden wie beeindruckenden Leistung.

„MJ“ in Hamburg (Foto: Dominik Lapp)

David Hughey gibt großartig einerseits den strengen und gewalttägigen Vater Joseph Jackson und wechselt in Sekunden zum sympathischen Rob, der die Proben für die „Dangerous“-Tour leitet. Jessica Mears verleiht mit Bühnenpräsenz und starker Stimme allen Szenen Tiefe, in denen sie als einfühlsame Mutter Katherine Jackson zu sehen ist. Eve Rades als TV-Redakteurin Rachel und Pedro Reichert als Kameramann Alejandro bringen die dokumentarische Rahmenhandlung überzeugend auf die Bühne und geben ein eingespieltes Team.

Das Musical spart auch die dunkleren Episoden aus Michael Jacksons Leben nicht aus. Themen wie die gewalttätige Erziehung durch seinen geldgierigen Vater und Jacksons Abhängigkeit von Schmerzmitteln werden offen thematisiert. Allerdings bleibt das Stück bei Ereignissen bis 1992, wodurch die späteren Vorwürfe des Kindesmissbrauchs – die erstmals im August 1993 auftauchten, weshalb die „Dangerous“-Tour abgebrochen werden musste – außen vor bleiben.

Dies wirkt angesichts der zeitlichen Einordnung einerseits schlüssig, um sich auf das künstlerische und persönliche Vermächtnis von Michael Jackson zu konzentrieren. Andererseits wirft es aber auch die Frage auf, ob Buchautorin Lynn Nottage – die sich in der Pressemappe zum Musical selbst als Jackson-Fan seit Veröffentlichung der ersten Solonummer bezeichnet – die Storyline bewusst auf die Ereignisse bis 1992 beschränkt hat, um sich nicht mit einer dunklen, wenn auch ungeklärten, Lebensepisode ihres Idols beschäftigen zu müssen.

Doch wie auch immer: So wie das Buch letztendlich geschrieben und „MJ“ inszeniert wurde, ist es absolut perfekt. Die Show ist eine fesselnde Inszenierung, die sowohl Fans des Musikstars als auch Zuschauerinnen und Zuschauer ohne tiefere Kenntnisse über den Künstler in ihren Bann ziehen dürfte. Die gelungene Kombination aus der ikonischen Musik, kraftvollen Darstellungen und der grandiosen Art der Erzählung macht das Stück zu einem unvergesslichen Erlebnis. Definitiv eines der besten Musicals, die Stage Entertainment vom Broadway nach Deutschland geholt hat.

Text: Dominik Lapp

Avatar-Foto

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".