Herrliche Satire: „The Book of Mormon“ auf Tour
Seit mehr als acht Jahren sorgt das Musical „The Book of Mormon“ am New Yorker Broadway für Furore, auch im Londoner West End sind die Vorstellungen immerzu ausverkauft. Nun ist die Originalinszenierung auf großer Europatournee, hat gerade in Amsterdam Halt gemacht und wird auch noch im deutschsprachigen Raum in Köln und Zürich gastieren.
Geschrieben wurde das Stück von Trey Parker und Matt Stone, die als Schöpfer der Zeichentrickserie „South Park“ bekannt wurden, sowie von Robert Lopez, einem der Autoren des Musicals „Avenue Q“. Die Namen dieses Autorenteams lassen also bereits erahnen, worauf sich die Zuschauer bei „The Book of Mormon“ gefasst machen können.
Wer „South Park“ kennt, wird bei „The Book of Mormon“ keine Komödie auf einem hochintellektuellen Niveau erwarten. Der Humor des Musicals ist eher einfach gestrickt, zündet beim Publikum in der besuchten Vorstellung aber sehr gut – und darauf kommt es doch letztendlich bei einer Musical Comedy an. Das Autorenteam nimmt die Mormonen ordentlich auf die Schippe, erzählt die Geschichte der Glaubensgemeinschaft auf humorvolle Weise, spielt dabei hervorragend mit Vorurteilen und Klischees und hat die Handlung mit allerlei Witzen, Missverständnissen, Ironie, Kraftausdrücken und Vulgaritäten gespickt.
Von der Eröffnungsnummer „Hello“ an, in der die Missionare der Mormonen das Klingeln an Haustüren lernen, lebt „The Book of Mormon“ von vielen grandiosen Ensemblenummern, die exzellent ins Ohr gehen. Die Partitur der drei Autoren ist voll von eingängigen und originellen Melodien, die vom Orchester unter der Leitung von Colm O’Regan wunderbar interpretiert werden. Als ein kleiner musikalischer Höhepunkt erweist sich dabei die afrikanisch angehauchte Nummer „Hasa diga eebowai“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Fick dich, Gott“.
Das Bühnenbild von Scott Pask ist nicht sehr aufwändig, dafür aber äußerst bunt. Die zahlreichen Prospektzüge und fahrbaren Kulissenteile ermöglichen zudem schnelle Szenenwechsel zwischen dem Mormonen-Missionszentrum in Salt Lake City, einem Flughafen oder dem Dorf in Uganda, in dem die beiden Hauptcharaktere ihre Missionsarbeit verrichten. Vor allem in der Nummer „Spooky Mormon Hell Dream“ durfte sich auch Kostümbildnerin Ann Roth ordentlich austoben, denn in der grandios visualisierten Mormonen-Hölle (stark choreografiert von Casey Nicholaw) sind unter anderem Adolf Hitler, Dschingis Khan und andere berühmte Mörder vorzufinden. In anderen Szenen hingegen tauchen Darth Vader und Yoda auf, was beim Publikum natürlich zu großem Gelächter führt.
Die beiden Regisseure Casey Nicholaw und Trey Parker legen in ihrer Inszenierung den Fokus auf das richtige Timing, das bei so einer Komödie unverzichtbar ist. Mit straffem Tempo erzählen sie die Geschichte um Elder Price und Elder Cunningham, die in Uganda die Bewohner eines Dorfes missionieren sollen. Dabei zündet jeder Gag, jede Pointe sitzt.
Das allerdings ist auch ein Verdienst der durchweg starken Darsteller. Allen voran sind es Stephen Rolley als Elder Price und Conner Peirson als Elder Cunningham, die in ihren Rollen wahrlich glänzen. In ihrem Zusammenspiel sind sie grandios, aber auch solo haben sie sich ihre Rollen vollkommen zu eigen gemacht. Peirson erinnert als dicklicher Cunningham mit seiner schrillen Sprechstimme an die aus zahlreichen Hollywood-Komödien bekannten Nerds. Das perfekte Gegenstück stellt Rolley als intellektueller Price dar, der in der schönen Nummer „I believe“ zudem gesanglich mit seiner strahlenden Tenorstimme begeistert.
Dem ugandischen Dorfmädchen Nabulungi verleiht die großartig singende Nicole-Lily Baisden einerseits eine gewisse Unschuld sowie Naivität und andererseits eine herrliche Raffinesse. Denkwürdig agieren außerdem Thomas Vernal als furchteinflößender General und David Brewis als Missionspräsident. Doch die weiteren Ensemblemitglieder können mit ihrer Spielfreude und Authentizität ebenso überzeugen.
So erweist sich „The Book of Mormon“ als kurzweilige, abwechslungsreiche und spaßige Musical-Satire, die einen herrlich ironischen Blick auf die Mormonen wirft und von der gelungenen Visualisierung, einer starken Darstellerriege und eingängiger Musik lebt. Sicherlich kein Mega-Musical, aber dennoch sehr sehenswert und in einer Liga mit satirischen Musicals wie „The Producers“, „Spamalot“ und „Avenue Q“ spielend.
Text: Dominik Lapp