Beste Unterhaltung: „Catch me if you can“ in Darmstadt
Es beginnt mit dem Ende. Gerade erst hat sich der Vorhang im Staatstheater Darmstadt für das Musical „Catch me if you can“ gehoben, schon wird Frank Abagnale Jr., der Hauptcharakter des Stücks, verhaftet. Doch was dann folgt, ist ein knapp dreistündiges Katz-und-Maus-Spiel zwischen Abagnale und FBI-Ermittler Carl Hanratty, das Abagnale in Form einer fiktiven TV-Show erzählt.
Das Publikum erlebt also die ganze Geschichte und erfährt, wie es zur Verhaftung des Scheckbetrügers und Hochstaplers gekommen ist. Erzählt wird das alles in einer temporeichen Inszenierung von Gil Mehmert, der „Catch me if you can“ bereits am Staatstheater Nürnberg inszeniert hat.
Mehmert ist mittlerweile schon so etwas wie ein Garant für erstklassige Musicalerlebnisse. Wo Mehmert draufsteht, steckt Qualität drin. Das hat der Regisseur immer wieder bewiesen, zum Beispiel mit seinen starken Inszenierungen von Musicals wie „Hair“ in Bad Hersfeld, „Goethe!“ in Essen oder der Tourproduktion des Wolfgang-Petry-Musicals „Wahnsinn!“. Mit „Catch me if you can“ hat Gil Mehmert nun einen Stoff für die Bühne adaptiert, der auf dem 2002 veröffentlichten Film von Steven Spielberg basiert.
Und bei „Catch me if you can“ stimmt alles: Tempo, Witz und Charakterzeichnung. Obwohl das Buch von Terrence McNally einige Längen aufweist, schafft es Mehmert, das Tempo und vor allem den Spannungsbogen zu halten. Obwohl man bereits weiß, wie die Story endet, fiebert man trotzdem mit und entdeckt viele sympathische Seiten an dem Gauner Abagnale. Außerdem schafft es Gil Mehmert, die Fernsehwelt der 1960er Jahre aufleben zu lassen. So passt die Inszenierung letztlich auch hervorragend zu der Musik von Marc Shaiman („Hairspray“), der einen Score komponiert hat, der typisch swingend-jazzigen Big-Band-Sound transportiert.
Geradezu genial ist es deshalb, dass das Orchester unter der versierten Leitung von Michael Nündel wie eine Big Band auf der Bühne platziert wurde und Bühnenbildner Jens Kilian zwei große Showtreppen um die Musiker herumgebaut hat. Ergänzt wird die Konstruktion durch eine große Rückwand, die als Projektionsfläche dient.
So reist das Publikum mit den Protagonisten in Windeseile in eine Schule, ein Hotel, ins Krankenhaus oder zum Flughafen. Kostümbildner Falk Bauer hat das Flair der 1960er Jahre ebenso perfekt eingefangen und zeigt vor allem die Damen klischeehaft in knappen Outfits – zum Beispiel, wenn Frank Abagnale Jr. von langbeinigen Stewardessen und hübschen Krankenschwestern umringt ist, die in der wunderbar anzusehenden Choreografie von Melissa King begeistern.
In der Handlung von „Catch me if you can“ wird schnell klar, dass Franks vermeintlicher Gegner Hanratty immer mehr zum Halt wird und sich zu einer Art Ersatzvater entwickelt. Diese Rollenentwicklung hat Gil Mehmert exzellent herausgearbeitet, wobei ihm auch zwei äußerst starke Darsteller dafür zur Verfügung standen.
Der smarte Riccardo Greco sammelt von Anfang an massig Punkte auf seinem Sympathiekonto. Denn dem schlitzohrigen Gauner Frank Abagnale Jr. verleiht er nicht nur ein gutes Aussehen, sondern eine glaubwürdige Coolness mit augenzwinkerndem Charme. Zudem überzeugt er in jedem seiner Songs mit seiner strahlend klaren Stimme.
Ein ziemlich harter Hund dagegen ist Alen Hodzovic als Carl Hanratty. Er gibt einerseits den einsamen, unerbittlichen FBI-Ermittler, hat andererseits aber sein Herz am rechten Fleck. Auch im witzigen Zusammenspiel mit Riccardo Greco ist Hodzovic, der zuletzt bei den Bad Hersfelder Festspielen in „Funny Girl“ brillierte, absolut grandios. Als ein Höhepunkt erweist sich außerdem seine Interpretation des Songs „Brich kein Gesetz“.
Darüber hinaus sind die kleineren Rollen genauso hervorragend besetzt. Dem vom sozialen Abstieg gezeichneten Frank Abagnale Sr. verleiht Dirk Weiler einer starke Konktur, Anais Lueken bezaubert mit französischem Akzent als Paula Abagnale und Inga Krischke liefert mit dem wunderschön intonierten Song „Flieg, flieg ins Glück“ die schönste Ballade des Stücks.
Insgesamt bietet „Catch me if you can“ somit beste Unterhaltung in allen Bereichen. Neben einer spannenden Story, in der die witzigen Momente nicht zu kurz kommen, wird eine wunderbar schmissige Musik in einer intelligent gelösten Inszenierung geliefert. Sehenswert!
Text: Dominik Lapp