Stimmiges Gesamtbild: „Catch me if you can“ in Dresden
Ein junger smarter Typ namens Frank Abagnale Jr. ergaunert mehr als zwei Millionen Dollar – und ist trotzdem ein wahnsinniger Sympathieträger. Das war schon bei Steven Spielbergs Film „Catch me if you can“ der Fall und trifft auch auf die Musicaladaption von Marc Shaiman (Musik und Songtexte), Terrence McNally (Buch) und Scott Wittman (Songtexte) zu. Die intelligente Inszenierung von Werner Sobotka, die im Wiener Theater in der Josefstadt zu sehen war und anschließend mit neuer Besetzung an die Staatsoperette Dresden transferiert wurde, läuft dort erfolgreich seit mehr als zwei Jahren.
Die Handlung des Musicals orientiert sich stark an der Spielberg-Verfilmung, doch werden auch die Möglichkeiten des Theaters bestens ausgeschöpft: So erzählt Frank Abagnale Jr. seine Geschichte rückblickend, agiert dabei als Strippenzieher und Moderator einer TV-Show (für Lacher sorgen die Werbeunterbrechungen) und durchbricht dabei immer wieder die vierte Wand, was ganz wunderbar funktioniert. Auch optisch gefällt „Catch me if you can“. Das surreale Wolkenkratzer-Einheitsbühnenbild von Walter Vogelweider erweist sich durch zwei Treppen und eine Drehtür als sehr wandlungsfähig. Unterstützt durch einzelne Bühnenteile und Requisiten entstehen so im Handumdrehen neue Handlungsorte.
Wurde Marc Shaimans Partitur in Wien noch von einer kleinen Band intoniert, so kommt das Publikum in Dresden nun in den Hörgenuss eines großen Orchesters unter der Leitung von Peter Christian Feigel. Ein entsprechend satter und erstklassiger Big-Band-Sound erfüllt das Auditorium. Eine gelungene Mischung aus Jazz und Swing, aus flotten Tanznummern und wohlklingenden Balladen verspricht einen musikalisch gelungenen und vor allem abwechslungsreichen Abend.
Doch nicht nur aus dem Orchestergraben kommt eine starke Leistung – die Künstler auf der Bühne stehen ihren Musikerkollegen in nichts nach. Allen voran ist es Jannik Harneit als Frank Abagnale Jr., der mit frechem Grinsen und authentischem Spiel schnell den Sympathiebonus erlangt. Herrlich, wie der charismatische Darsteller den Fokus in nahezu jeder Szene auf sich zieht und dabei Publikum wie Darstellerkollegen um den Finger wickelt. Neben seinem schauspielerischen Können überzeugt er mit seiner klangschönen hellen Stimme und einer hervorragenden tänzerischen Leistung. Jannik Harneit ist so überzeugend in seiner Rolle, dass er den Zuschauer völlig vergessen lässt, dass Abagnale Jr. im Film von keinem Geringeren als Leonardo Di Capri gespielt wurde.
Doch das gelingt auch Nikolas Gerdell, der in der Rolle des FBI-Chefermittlers Carl Hanratty kein bloßes Abziehbild von Tom Hanks darstellt, sondern mit einer eigenständigen Interpretation glänzen kann. Insbesondere durch seine bestechende Mimik und Gestik, den trockenen Humor und die knorrige Stimme gelingt es Gerdell, dem FBI-Mann Charaktertiefe zu verleihen. Wie sich Harneit und Gerdell die Bälle gegenseitig zuspielen, ist absolut perfekt. Ihr Katz-und-Maus-Spiel ist kurzweilig, spannend und zeigt dem Zuschauer doch immer wieder, was für einsame Menschen der Hochstapler und der Chefermittler eigentlich sind.
Neben einem so starken Hauptdarstellerduo haben es die Darsteller in den kleineren Nebenrollen entsprechend schwer, doch wurden auch diese durch die Bank weg sehr gut besetzt. Hier seien besonders Christian Grygas als immer mehr vom sozialen Abstieg gezeichneter Vater sowie die wunderbar wandlungsfähige Cornelia Drese als Carol Strong hervorgehoben.
Mit warmer Stimme und versiertem Schauspiel gibt zudem Johanna Spantzel die Brenda als schüchterne, anfangs nicht sehr selbstbewusste Freundin von Frank. Mit dem Song „Flieg, flieg ins Glück” gehört ihr außerdem der emotionalste Moment des Abends. Und in den von Simon Eichenberger temperamentvoll choreografierten Tanznummern darf auch das Ensemble viel zeigen – die Damen vor allem viel Bein und nackte Haut, bestens untermalt durch die prächtigen Kostüme von Elisabeth Gressel. Ein stimmiges Gesamtbild also, das bei „Catch me if you can“ gezeichnet wurde. Das muss man gesehen haben.
Text: Dominik Lapp