„Der Sturm“ Foto: Dominik Lapp
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Enttäuschend und entbehrlich: „Der Sturm“ in Hannover

Shakespeares letztes Theaterstück “Der Sturm“ ist wahrlich keine leichte Kost. Doch nicht so in der Musicaladaption von Heinz Rudolf Kunze und Heiner Lürig, die nach “Ein Sommernachtstraum“ und “Kleider machen Liebe“ mit “Der Sturm“ ihre Shakespeare-Musical-Trilogie im Gartentheater in den Herrenhäuser Gärten von Hannover komplettieren.

Kunze und Lürig haben die Handlung von einer mediterranen Insel ins Weltall verlegt. Statt Mailand und Neapel heißt es nun Baltrum und Borkum. Der friesische König Prospero, der um sein Inselreich gebracht wurde, lebt mit seiner Tochter Mirakula auf dem Planeten Textura. Die Mitglieder einer friesischen Weltraumexpedition – allesamt Feinde Prosperos – landen nach einer Panne mit ihrem Raumschiff Friesia ebenfalls dort. Das Chaos, das in einem einzigen Klamauk endet, ist also vorprogrammiert. Und der Klamauk ist auch die größte Schwäche des Stücks.

Wer “Ein Sommernachtstraum“ und “Kleider machen Liebe“ gesehen hat, ahnt natürlich, dass auch “Der Sturm“ nicht gerade mit dramatischen Momenten aufwarten wird. Die Handlung passt dabei auf ein Stück Toilettenpapier, und es reiht sich eine komödiantische Szene an die nächste, die nur sehr selten durch austauschbare und die Handlung nicht voranbringende Songs unterbrochen werden. Dabei sind die Melodien recht eingängig, aber eben austauschbar, weil sie genauso gut aus einem der anderen Kunze/Lürig-Musicals stammen könnten. Und die Texte? Sind an Plattheit kaum zu unterbieten.

Bei dem schwachen Buch kann auch Regisseur Christian von Götz nicht mehr viel retten, der seine Darsteller lediglich ihre Kalauer brav aufsagen lässt. Einzig Bernd Tauber als Prospero und Jörg-Heinrich Benthien als Caliban können ihren Figuren etwas Tiefgang verleihen, was vor allem ihrer Schauspielkunst zu verdanken ist. Während Tauber überzeugend den geflohenen König gibt, der mithilfe seiner Zauberkraft und mit Unterstützung des Luftgeistes Ariel seine Tochter Mirakula verheiratet und anschließend der Zauberei abschwört, spielt Benthien den verunstalteten Sklaven Caliban sehr authentisch und mit starkem Körpereinsatz, wofür er beim Schlussapplaus mit heftigem Beifall bedacht wird.

Als Publikumsliebling erweist sich jedoch Sebastian Strehler in der Rolle des Ariel, der das lebendige Abbild der vergoldeten Bleifiguren darstellt, die die Bühne des Gartentheaters säumen und zusammen mit Taxuspyramiden ein Teil des Bühnenbildes sind. Strehler, der normalerweise zur MusicalCompany des Theaters für Niedersachsen gehört, begeistert dabei nicht nur schauspielerisch, sondern auch mit seiner klaren und sicher geführten Stimme.

Milica Jovanovic darf als Königstochter Mirakula hübsch aussehen und sogar ab und zu wunderbar singen, während ihr Bühnenpartner Manuel Steinsdörfer in der Rolle des Ferdinand lediglich Staffage ist. Würde es seine Rolle nicht geben und Mirakula könnte nicht mit ihm verheiratet werden – man würden es nicht einmal merken. Auch Mirja Regensburg hat als Hexe Syntax nur wenige Auftritte, in denen sie buchbedingt blass bleibt. Immerhin hat sie aber das schönste Kostüm von allen Mitwirkenden.

Ohnehin sind Bühnenbild (Michael Goden) und Kostüme (Petra Laas) ein Pluspunkt der Show. Während die Kostüme teilweise noch echtes Illusionstheater widerspiegeln, fügt sich das sporadische Bühnenbild hervorragend in die Gartenbühne ein. In die mit Kieselsteinen bedeckte Bühne wurden zwei Krater eingelassen, von denen sich einer sogar um die eigene Achse drehen kann. Ein echter Hingucker direkt zu Beginn der Show ist jedoch das eiförmige und silbern glänzende Raumschiff Friesia, das bis an den Bühnenrand fährt und acht friesische Astronauten entlässt.

Für zahlreiche Lacher sorgen Micha Westphal als Bayerisch sprechender Kapitän Hein und Attila Maya-Olsen als Friesisch sprechender Bootsmann Fiete. Dagegen kann Steffen Häuser seine Rolle als Prosperos böser Bruder Berluscono aufgrund der schwachen Buchvorgaben überhaupt nicht richtig ausspielen, obwohl die Konstellation der beiden Brüder genug Potenzial für ein von Hass erfülltes Aufeinandertreffen bietet. Schließlich war es Berluscono, der Prospero um sein Reich brachte und den eigenen Bruder ins All schoss. Doch statt eines großen Showdowns zwischen den Brüdern folgt lediglich eine wenig überzeugende Versöhnung.

Letzten Endes ist “Der Sturm“ nur eine solide gemachte Revue – bestenfalls eine Schauspielkomödie mit wenig Musik – mit einer dem Original stark entfremdeten Handlung, in der ein Kalauer auf den anderen folgt. Im systematischen Aufbau des Stücks gleicht “Der Sturm“ damit zwar auch seinen Vorgängern, doch wird das neueste Werk von Kunze und Lürig sicher nicht an den Erfolg von “Ein Sommernachtstraum“ heranreichen können. Ein schönes Bühnenbild, hübsche Kostüme und ein paar eingängige Lieder machen eben noch kein gutes Musical. Selbst die Darsteller retten nicht, was sowieso nicht zu retten ist. Insgesamt ein enttäuschendes und entbehrliches Musical.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".