Erstklassig: „Footloose“ in Darmstadt
Tanzen verboten. Was in der amerikanischen Kleinstadt Elmore City in bis in die 1980er Jahre tatsächlich Realität war, hat Dean Pitchford („Carrie“) für sein Drehbuch des 1984 erschienenen Tanzfilms „Footloose“ aufgegriffen. Die Musicalfassung mit der Musik von Tom Snow, dem Buch von Dean Pitchford und Walter Bobbie und den Songtexten von Pitchford ist in einer erstklassigen Inszenierung von Erik Petersen am Staatstheater Darmstadt zu sehen.
Petersen hat erst gar nicht versucht, dem Stoff einen übermodernen Stempel aufzudrücken, sondern hat die Handlung in den 1980er Jahren belassen – und das ist gut so. Denn so spiegelt die Inszenierung den Zeitgeist wider, der auch in der Musik transportiert wird. Mit hohem Tempo erzählt der Regisseur hier eine Geschichte, die durch das ausgeklügelte Bühnenbild von Dirk Hofacker perfekt unterstützt wird. Durch den Einsatz von Hausfassaden, Drehbühne und Projektionen lassen sich filmartige Übergänge zwischen Kirche, Schule, Diner und Tankstelle schaffen. Aus dem Achtziger-Bild brechen lediglich die Kostüme von Verena Polkowski heraus, die sich teilweise an heutiger Mode orientieren.
Durch das hohe Erzähltempo gelingt es Erik Petersen, einige unlogische Bereiche im Buch von Dean Pitchford und Walter Bobbie so gut wie möglich zu umschiffen. Denn warum Reverend Shaw Moore, der die ganze Stadt kontrolliert, nichts gegen den gewalttätigen Freund seiner Tochter unternimmt, bleibt fraglich. Wenn man über die buchbedingten Schwächen, von denen es noch mehr gibt, einmal hinwegsieht, bleibt nach wie vor eine gut unterhaltende Show, die „Footloose“ definitiv ist.
Ganz besonders lebt das Stück von seinen Darstellern. Allen voran ist es Fin Holzwart, der eine verdammt gute Figur macht und einen smarten Ren McCormack gibt. Holzwart gelingt der Spagat, seinen Ren einerseits als aufmüpfigen Rebell und andererseits als liebenswerten Nachbarsjungen anzulegen. Dabei tanzt er auch noch fantastisch und singt seine Songs wie „Footloose“ oder „I’m free“ mit sicher geführter, wohlklingender Stimme.
Sybille Lambrich gibt Ariel Moore als selbstbewusste junge Frau, die ihr Leben und die Jungs in vollen Zügen genießt, aber sich trotzdem nicht gegen ihren Freund Chuck (herrlich fies: Roy Goldman) durchsetzen kann. Mit „Holding out for a Hero“ hat sie die stärkste Up-Tempo-Nummer des Stücks zu singen, die sie sanft beginnt und letztlich rockröhrenartig herausschmettert. Zudem gefällt sie in ihrem natürlich-harmonischen Zusammenspiel mit Fin Holzwart, so dass das Publikum erleichtert aufatmen kann, als aus Ariel und Ren endlich ein Paar wird.
Diesem Moment fiebern die Zuschauer aber auch bei Rusty und Willard entgegen. Beatrice Reece sammelt als naive Rusty sehr schnell Sympathiepunkte beim Publikum, feiert jede einzelne Pointe ihrer Rolle und erweist sich in Schauspiel und Tanz als echtes Energiebündel, während sie gesanglich insbesondere bei der Nummer „Let’s hear it for the Boys“ mit ihrer dunkel legierten Powerstimme beeindruckt. Benjamin Sommerfeld ist als Willard ein großartig exaltierter, liebenswerter Tollpatsch, der mit seinen flachen Gags alle Lacher auf seiner Seite hat und mit „Mama says“ ebenso gesanglich zu überzeugen vermag.
Michael Pegher hebt sich mit seinem klassischen Tenor stimmlich von seinen Kollegen ab und spielt den Reverend überzeugend streng und unnahbar. Schon früh erkennt man dabei, dass der Pfarrer den Tod seines Sohnes noch immer nicht verarbeitet hat, was den Familienfrieden stark gefährdet. Seiner starken Ehefrau Viviane weiß Jessica Kessler ein passendes Profil zu verleihen.
Für die musikalische Umsetzung sorgt Michael Nündel mit seiner Band, die es exzellent versteht, die bekannten Eighties-Songs mit Schwung ins Auditorium zu schicken. Ein wenig zu brav und unspektakulär für diese mitreißende Musik mutet dagegen die Choreografie von Sabine Arthold an. Zwar hat sie einige Songs durchaus sehenswert choreografiert, doch bei der musikalischen Vorlage wünscht man sich definitiv mehr. Doch ist dies auch der einzige Wermutstropfen bei dieser ansonsten wirklich stimmigen Inszenierung von „Footloose“, die das Staatstheater Darmstadt nicht ohne Grund zwei Jahre lang auf dem Spielplan hatte.
Text: Dominik Lapp