Hinterm Horizont, Foto: Morris Mac Matzen
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Ost-West-Geschichte: „Hinterm Horizont“ in Hamburg

Als „Hinterm Horizont“ im Januar 2011 seine Uraufführung in Berlin erlebte, hätte es wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass es die Ost-West-Liebesgeschichte mit der Musik von Udo Lindenberg im Theater am Potsdamer Platz auf eine fünfeinhalbjährige Spielzeit mit rund 1.800 Vorstellungen und mehr als zwei Millionen Besuchern bringen würde. Nachdem die Kartenverkäufe in Berlin jedoch zurückgingen, wurde die Show kurzerhand abgesetzt und nach Hamburg transferiert – in die Wahlheimat des Panikrockers Lindenberg, wo das Stück ursprünglich mal zur Uraufführung kommen sollte und nun für kurze Zeit im Operettenhaus zu sehen ist.

„Hinterm Horizont“ erzählt eine Liebesgeschichte von Udo Lindenberg, der im Jahr 1983 ein Konzert in Ost-Berlin gibt und dabei das FDJ-Mädchen Jessy, das Mädchen aus Ost-Berlin, kennen lernt und sich in sie verliebt. Doch Udo muss zurück in den Westen und Jessy bleibt im Osten. Während die Stasi versucht, einen eigenen DDR-Udo zu casten, trifft sich das Liebespaar in Moskau zu einer leidenschaftlichen Liebesnacht. Schnell ist klar, dass Jessy schwanger ist. Doch ein weiteres Zusammentreffen mit Udo scheint unmöglich. Jessy fügt sich ihrem Schicksal und heiratet auf Drängen ihrer Eltern und der Stasi einen anderen Mann. Erst viele Jahre später, als Deutschland wiedervereint ist, macht sie sich gemeinsam mit ihrem Sohn auf die Suche nach Udo.

Eine durchaus spannende Handlung, die laut Lindenberg sogar wahr sein soll. Doch erzählt wird diese Geschichte leider nicht stringent genug, sondern noch immer teilweise recht langatmig. Zwar wurde das Stück überarbeitet, doch die Änderungen beziehen sich vornehmlich darauf, etwas Hamburger Lokalkolorit – oftmals leider sehr zwanghaft – in die Handlung zu bringen. Viel zu oft hält sich die Inszenierung an unwichtigen Details auf: Szenen wie das Casting des DDR-Udos oder das Udo-Double-Casting im Hotel Atlantic hätten getrost gestrichen werden können. Auch die Rahmenhandlung, in der sich eine Zeitungsreporterin der Gegenwart auf den Weg macht, die Geschichte von Jessy und Udo aufzuarbeiten, wirkt nicht nur schlecht konstruiert, sondern zieht das Stück noch weiter unnötig in die Länge.

Außerdem mussten in der Liebesgeschichte und den Szenen der deutschen Geschichte noch zahlreiche Songs des Panikrockers untergebracht werden. Doch Hits wie „Sonderzug nach Pankow“, „Wenn du durchhängst“, der für Hamburg neu eingefügte Song „Reeperbahn“ und auch der Titelsong fügen sich hervorragend in die Handlung ein und wirken, als seien sie nur für dieses Werk geschrieben worden. Dargeboten werden sie von einer hervorragend aufspielenden Band (in der besuchten Vorstellung unter der Leitung von Tobias Vogt), die einen knackigen Rocksound durchs Auditorium jagt.

Doch ein klassisches Musical ist „Hinterm Horizont“ nicht: Im Vordergrund steht das Schauspiel, Musik erklingt oftmals für etliche Minuten nicht. Und wenn dann doch wieder gesungen wird, kann das auch mal nur eine Strophe sein, da einige Songs gekürzt wurden, um sie der Handlung unterzuordnen. Emotional wird es meist, wenn Originalfilmaufnahmen aus der DDR mittels Projektion zu sehen sind. Dass der Nachbau der Berliner Mauer dabei als Leinwand umfunktioniert wurde, erweist sich als äußerst durchdacht und effektvoll. Und auch insgesamt macht das Bühnenbild von Raimund Bauer ordentlich was her in der Inszenierung von Ulrich Waller, der die DDR-Kalauer wunderbar in Szene gesetzt hat.

Da gibt es einerseits einen überdimensionalen Lindenberg-Hut mit einem Gewicht von vier Tonnen und neun Metern Durchmesser, aber auch mal mehr und mal weniger detailgetreu ausgestattete Szenerien wie Wohnungen, das Hotel Atlantic, ein Hotelzimmer in Moskau oder den Palast der Republik. Besonders das fahrbare Wohnzimmer der Familie Schmidt – vollautomatisch hydraulisch per Computer gesteuert – erweist sich als optischer Kniff. Auch die Kostüme von Ilse Welter-Fuchs enttäuschen nicht und spiegeln Zeit und Ort der Handlung perfekt wieder.

In den Hauptrollen können in der besuchten Vorstellung sowohl Alex Melcher (Udo) als auch Josephin Busch (Jessy) vollends überzeugen. Sie sind es, die dem Stück wahrhaft Seele verleihen. Melcher hat all die Fisimatenten von Lindenberg verinnerlicht. Er nuschelt wie der Panikrocker, er lässt die Unterlippe hervorhängen wie der Panikrocker und er tänzelt wie der Panikrocker. Mit Coolness spielt er Lindenberg nicht nur, er lebt ihn – und singt perfekt.

Eine ihm absolut ebenbürtige Bühnenpartnerin ist Josephin Busch, die ihre Jessy herrlich unprätentiös spielt. Seit der Uraufführung steht Busch nun schon in ihrer ersten großen Musicalrolle auf der Bühne und findet anscheinend immer wieder neue Seiten an ihrer Rolle. Ihre Jessy ist einerseits aufgedreht und flippig, andererseits einfühlsam, schüchtern und zurückhaltend. Sowohl schauspielerisch als auch gesanglich eine großartige Leistung.

Neben zwei solch starken Hauptdarstellern, mit denen die komplette Vorstellung steht und fällt, haben es die anderen Darsteller wahrlich schwer. Doch vor allem Marcus Schinkel schafft es, als Jessys Bruder Elmar positiv in Erinnerung zu bleiben. Aber auch Holger Dexne, Ralf Novak und Lutz Standop überzeugen mit Authentizität und witzigem Spiel als Stasi-Mitarbeiter. Als Steve gefällt David Nádvornik und in der Rolle des Ministers sorgt Rainer Brandt für etliche Lachsalven.

Auch wenn „Hinterm Horizont“ kein Musical im klassischen Sinn ist, sondern vielmehr ein Schauspiel, gespickt mit zahlreichen Songs von Udo Lindenberg, verspricht die Show gute Unterhaltung. Als gelungene Kombination aus Fiktion und Wirklichkeit passt „Hinterm Horizont“ gut auf die Hamburger Reeperbahn und wird dort sicher sein Publikum finden.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".