„Orient Express“ (Foto: Music Productions Werdenberg)
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Witzige Nummernrevue: „Orient Express“ in Buchs

Im Jahr 2009 stellte der Orientexpress den fahrplanmäßigen Betrieb zwischen Paris und Istanbul nach 126 Jahren ein. Der Luxuszug ist aber nach wie vor ein Begriff, auch wegen des Romans „Mord im Orientexpress“, der im Jahr 2017 neu verfilmt wurde. In der Lokremise in dem kleinen Schweizer Örtchen Buchs wird nun ebenfalls die Fahne für den Orientexpress hochgehalten, denn dort ist jetzt das Musical „Orient Express“ zur Uraufführung gekommen. Allerdings hat es – mit Ausnahme des Zugnamens – nichts gemeinsam mit dem Roman „Mord im Orientexpress“. Vielmehr basiert das Musical vage auf dem 1950 erschienenen Roman „Zwei Fremde im Zug“, der 1951 von Alfred Hitchcock unter dem Titel „Der Fremde im Zug“ verfilmt wurde.

Für die Musicalfassung hat Autor Mathias Ospelt die Geschichte erweitert und daraus eine Komödie gemacht. Musikalisch ist es eine Nummernrevue, die mit bekannten Songs wie „Locomotive Breath“ von Jethro Tull, „I’m a Train“ von Albert Hammond oder „Mystery Train“ von Junior Parker aufwartet. Bei der Auswahl der Musikstücke haben die Kreativen darauf geachtet, dass die Songs entweder zum Thema Zug oder aber zu den durchquerten Städten und Ländern oder der jeweiligen Stimmung passen. Somit sind deutsche Schlager genauso zu hören wie französische Chansons, alle neu arrangiert von Marco Schädler, der auch als Musikalischer Leiter fungiert und seine neunköpfige Band, die neben dem Bühnenbild platziert ist, mit Schmackes anleitet.

Erzählt wird in „Orient Express“ die Geschichte einer Musicaltruppe, die mit dem Zug von Paris zu einem Gastspiel nach Istanbul reist. Auf der dreitägigen Reise erleben die Zuschauer intrigante Mordanschläge, pfiffige Wortspiele und etwas Lokalkolorit, immer passend zu den jeweiligen Orten, an denen sich der „Orient Express“ gerade befindet. Herzstück dieser Geschichte ist natürlich der Luxuszug, der aus einer Lok und einem Speisewagen im Stil der 1930er Jahre besteht. Regisseur Nikolaus Büchel, der in Personalunion auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, hat mit dem Zugnachbau ein Glanzstück geschaffen, das er durch seine detaillierte Personenzeichnung mit Leben zu füllen weiß.

Vor allem der erste Akt erweist sich als sehr witzig und schwungvoll, wohingegen die Idee, den Bösewicht des Stücks als Teufel zu präsentieren, der es auf die Seelen der Fahrgäste abgesehen hat, aber etwas zu albern daherkommt – insbesondere dann, wenn auch noch der Zugführer den Teufel mit Elton Johns „Can you feel the Love tonight“ vertreiben will. Doch das ist auch der einzige Ausrutscher in einer ansonsten stimmigen und witzigen Inszenierung, die durch die herrlichen Kostüme von Caroline Neven Du Mont und die spritzige Choreografie von Isabella Rapp und Miguel-Angel Zermeno aufgewertet wird.

Die Haupt- und Nebenrollen wurden bei „Orient Express“ durchweg fantastisch besetzt. In der Damenriege ist da zum Beispiel Isabella Rapp, die als Charlotte ihr beachtliches Stimmvolumen nutzt, um in jedem ihrer Songs zu strahlen. Als Gianna kann Jasmin Reif nicht nur ihren Hang zur Komik voll ausspielen, sondern sie ist auch schauspielerisch ein hinreißendes Nummerngirl und liefert zudem gesanglich ab. Annette Lubosch hingegen überzeugt mit ihrer klassisch geschulten Stimme und macht sich die Rolle der Französin Angelique zu eigen, während Klaudia Dodes eine temperamentvolle Gina spielt.

Aus der Herrenriege sticht besonders Raphael Köb als Bruno Di Abolo hervor, der mit starker Bühnenpräsenz den perfekten schmierigen Bösewicht mimt und das Publikum außerdem mit seiner kraftvollen Stimme mitreißt. In der Rolle des Musicalintendanten Jack Russell gibt Oliver Polenz einen gelungenen Gegenspieler und harmoniert im Duett sehr gut mit Köb. Doch auch der mit klangvoll tiefer Stimme singende Christoph Wettstein als Zugführer und David Schuler als herrlich humoristischer Schaffner agieren vollends rollendeckend.

So erweist sich das Musical „Orient Express“ also als runde Sache, die in nahezu allen Bereichen überzeugen kann. Einziger Wermutstropfen ist die Musik. Bei einer Story, die in einem weltberühmten Zug spielt und dessen Namen im Titel trägt, wäre es schön gewesen, wenn für diesen Stoff eine originäre Musik geschrieben worden wäre, statt sich an der Jukebox zu bedienen. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Denn die Musikauswahl ist immerhin mit Köpfchen geschehen, die Arrangements sind klasse und passen wunderbar zum Gesamtwerk, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist!

Text: Matilda Falke

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Matilda Falke hat Germanistik studiert und ein Volontariat absolviert. Seit mehreren Jahren ist sie als freie Journalistin und Texterin tätig.