Ein großer Spaß: „Shrek“ in Tecklenburg
Die Tecklenburger Freilichtbühne wird diesen Sommer von allerhand merkwürdigen Gestalten heimgesucht – ist es bei „Rebecca“ eine irre zündelnde Hausdame, so verwandelt sich die Bühne für „Shrek“ in einen Sumpf und Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht Oger“ warnen vor einem großen grünen Gesellen, der eine Horde Freaks im Schlepptau hat, die vom winzigen Lord Farquaad in den Sumpf verbannt wurden. Doch wer „Shrek“ für ein Kindermusical hält, der irrt gewaltig. Denn das Musical von Jeanine Tesori (Musik) und David Lindsay-Abaire (Buch und Text) wartet mit deftigem Humor sowie zahlreichen aktuellen Polit-Anspielungen auf und verspricht damit einen großen Spaß insbesondere auch für Erwachsene.
Für die fantasievolle Geschichte hat Bühnenbildnerin Susanna Buller die Burgruine in ein sattes Grün getaucht – in der Bühnenmitte der Eingang zu Shreks Haus, links das Reich Duloc von Lord Farquaad und rechts auf dem alten Torbogen ist der Turm entstanden, in dem Prinzessin Fiona gefangen gehalten und von einem großen Drachen bewacht wird. Das ausladende Bühnenbild wird hervorragend unterstützt durch die fantasievollen und farbenfrohen Kostüme von Karin Alberti.
Wunderbare Bilder entstehen, wenn Ensemble und Chor als Bäume über die Bühne wandeln oder ein riesiges Blumenmeer darstellen. Großen Szenenapplaus gibt es zudem für eine Horde tanzender Ratten – eine Nummer, die nicht nur kostümtechnisch etwas hermacht, sondern auch von der lebendig-ausgelassenen Choreografie von Kati Heidebrecht lebt.
Mit Ulrich Wiggers wurde erneut ein erfahrener Regisseur für „Shrek“ engagiert, der die Freilichtbühne in Tecklenburg durch vorige Inszenierungen bereits bestens kennt. Ihm ist es gelungen, die Charaktere aus der Animationsfilmvorlage stark herauszuarbeiten, dreidimensional darzustellen und ihnen eine Seele zu verleihen. Außerdem lässt er immer wieder auch den Zuschauerraum bespielen, so dass das Stück einen interaktiven Charakter erhält und die Zuschauer noch tiefer in die Geschichte abtauchen können.
Dass „Shrek“ kein Kindermusical ist, zeigt sich auch, weil Wiggers das Stück als Politparabel inszeniert hat – zwischen all den Kalauern und witzigen Szenen gibt es immer wieder Seitenhiebe auf das aktuelle Weltgeschehen. So kündigt Shrek an, eine Mauer um seinen Sumpf zu bauen und Pinocchio erklärt: „Ich bin aus Holz – und das ist gut so!“ Für Gelächter sorgen außerdem die Anspielungen auf andere Musicals, beispielsweise, wenn Lord Farquaad seine Fiona inbrünstig besingt wie Tony seine Maria in der „West Side Story“.
Wie man es aus Tecklenburg nicht anders gewohnt ist, hat man für „Shrek“ selbstverständlich eine fabelhafte Darstellerriege verpflichtet. So gibt Tetje Mierendorf die Titelrolle, in der er sich sichtlich wohlzufühlen scheint. Die charakterliche Entwicklung des grünen Ogers (harte Schale – weicher Kern) gelingt ihm dabei glaubhaft und seine Songs singt er mit sicher geführter Stimme. Auch das Zusammenspiel mit Thomas Hohler als Esel ist herrlich anzusehen.
Letzterer erweist sich ohnehin als Publikumsliebling. Hohler versteht es perfekt, all die Facetten und Nuancen seiner Rolle zu zeigen und schauspielerisch aus dem Vollen zu schöpfen. Dabei ist er nicht nur witzig und hat die meisten Lacher auf seiner Seite, sondern kommt als Esel vor allem unglaublich liebenswürdig über die Rampe. Eine grandiose schauspielerische Leistung und nebenbei auch noch perfekt gesungen!
Als Prinzessin Fiona steht Sophie Blümel, die in der besuchten Vorstellung Roberta Valentini vertreten hat, den beiden Herren in nichts nach. Ihr klarer Sopran kommt bei der Nummer „Heut ist der Tag“ besonders schön zur Geltung und schauspielerisch lässt sie ebenfalls keine Wünsche offen. Ebenso Robert Meyer, der als kleinwüchsiger Lord Farquaad auf den Knien rutschend den wohl undankbarsten Job des Abends hat, aber richtig stark abliefert.
Stark abgeliefert wird außerdem im Orchestergraben, wo Giorgio Radoja seine Musiker bestens durch die abwechslungsreiche Partitur leitet. Gefällige Ensemblenummern wechseln sich hier mit hübschen Balladen und herrlichen Duetten ab. So verspricht „Shrek“ einen musikalisch wie schauspielerisch und optisch herausragenden Musicalabend, den man auf keinen Fall verpassen sollte.
Text: Dominik Lapp