Theater Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)
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Sterile Tanzoper: „Madama Butterfly“ in Osnabrück

Ein mutiges Experiment, Giacomo Puccinis bekannte Oper „Madama Butterfly“ als so genannte Tanzoper zu inszenieren. Nanine Linning, Leiterin der Tanzkompanie am Theater Osnabrück, hat dieses Experiment gewagt. Dabei herausgekommen ist eine Mischung aus Tanz- und Musiktheater mit Licht und Schatten.

Ihre Tänzer setzt Linning nicht nur im Hintergrund ein, sondern lässt sie mit den Opernsängern zu einer Einheit verschmelzen. Letztere bewegen sich auf ungewohntem Terrain, da sie diesmal nicht nur singen, sondern sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch bewegen müssen. Dies wirkt oft sehr befremdlich vor allem, wenn Bernardo Kim in der Rolle des Marineoffiziers Pinkerton sehr mechanisch, fast schon roboterähnlich die Bühne betritt.

Doch es gibt auch überzeugend umgesetzte Szenen wie zum Beispiel jene, in der Cio-Cio-Sans Onkel Bonze (Marcin Tlalka) seine Nichte verflucht und die Tänzer nach ihr greifen. Ein äußerst gelungener Einfall, den ausgesprochenen Fluch somit visuell darzustellen. Auch der Selbstmord der Titelfigur geht so gänzlich unspektakulär ohne Waffe über die Bühne: Linning schickt Cio-Cio-San in den Freitod, indem sie sich in einer Ecke vom Tanzensemble erdrücken lässt.

Die Kostüme von Iris van Herpen sind ebenso unspektakulär wie das Bühnenbild von Martin Fischer: Links eine weiße und rechts eine schwarze Wand, das Bühnenportal mit 22 weiß beleuchteten Plexiglas-Scheiben ausgestattet. Die Bühne wirkt steril, auch Requisiten gibt es keine – weder Möbel noch Handrequisiten. Etwas japanische Kultur spiegelt sich lediglich in Cio-Cio-Sans Fächer-Kleid wider.

Nanine Linning legt den Fokus der Inszenierung also bewusst auf die Symbiose aus Gesang und Tanz, aus Musik- und Tanztheater. Während die Opernsänger akustisch durch die dramatische Handlung führen, so ist es an den Tänzern, die Handlung visuell voranzutreiben. Ein grandioser Einfall, die Emotionen in Puccinis Oper nicht nur durch die Musik und den Gesang, sondern auch durch grazile Körpersprache zu transportieren.

Gesanglich überzeugt vor allem Lina Liu in der Rolle der Titelheldin mit ihrem klaren und sicheren Sopran, wofür sie vom Publikum mit lautstarkem Applaus gefeiert wird. Ein weiterer Lichtblick im Gesangsensemble ist Eva Schneidereit in der Rolle der Dienerin Suzuki, die ihre wenigen Auftritte mit starker Stimme nutzt. Gegen dieses überzeugende Damengespann hat es Bernardo Kim als Pinkerton hörbar schwer. Seine Stimme klingt etwas kraftlos und überanstrengt und wird stellenweise vom Orchester übertönt.

Für einen satten Klang sorgt Hermann Bäumer mit den Osnabrücker Symphonikern, der seine Musiker absolut sicher durch die Partitur Puccinis dirigiert. Insgesamt bietet Nanine Linnings Inszenierung von „Madama Butterfly“ sowohl Licht als auch Schatten. Zum einen ist Puccinis Musik so stark und eigenständig, um sämtliche Emotionen der Handlung allein zu tragen. Zum anderen werden die Emotionen durch die Synergie zwischen Sängern und Tänzern weitergetragen.

Dennoch wirkt die Inszenierung von „Madama Butterfly“ in Osnabrück sehr steril. Die blassen Farben des kahlen Bühnenbilds, die wenig aufwändigen Kostüme und das Fehlen jeglicher Requisiten lassen einfach kein japanisches Flair aufkommen. Es bleibt also dem Publikum überlassen, sich in das Japan des 19. Jahrhunderts hineinzuversetzen – mit viel Fantasie.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".