Muntere Klamotte: „Märchen im Grand Hotel“ in Hannover
Die stehenden Ovationen zum Schluss sind verdient, denn Regisseur Stefan Huber versteht es ausgezeichnet, eine Operette vom Staub der Zeit zu befreien. So ist ihm mit „Märchen im Grand Hotel“ an der Staatsoper Hannover eine charmante, sektlaunige und muntere Klamotte gelungen, bei der zu keiner Zeit Langeweile aufkommt. Die Operette mit der Musik von Paul Abraham und dem Libretto von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda – die bereits 1934 in Wien zur Uraufführung gekommen ist, aber erst letztes Jahr ihre deutsche Erstaufführung feierte – kommt in der niedersächsischen Landeshauptstadt äußerst frisch über die Rampe.
Nach „Ball im Savoy“ und „Roxy und ihr Wunderteam“ ist „Märchen im Grand Hotel“ bereits die dritte Abraham-Operette, die Stefan Huber inszeniert. Doch kennt sich Huber nicht nur mit Abraham gut aus. Wer zuletzt seine Musicalinszenierungen wie „Bonifatius“ in Fulda sowie „Titanic“ oder „Funny Girl“ bei den Bad Hersfelder Festspielen gesehen hat, weiß selbstverständlich, dass er ein Händchen für große Bilder hat. Auch in Hannover wurde demnach nicht gekleckert, sondern geklotzt. Der gefragte Regisseur beweist hier mal wieder eine starke Personenregie sowie Charakterentwicklung und hat mithilfe seines Kreativteams ein stimmiges Gesamtkunstwerk erschaffen. In seiner Inszenierung stimmt das Timing, jede Pointe sitzt – vor allem aber wird ein großartiger Drive erzeugt, so dass die teilweise hanebüchene Story niemals ins Stocken gerät.
Einen wichtigen Teil trägt dazu auch das Bühnenbild von Timo Dentler und Okarina Peter bei. Im Fokus steht dabei das Grand Hotel im französischen Cannes, wo Marylou, die Tochter von Filmmogul Mackintosh, auf der Suche nach einem neuen Filmstoff ist. Im Vor- und Nachspiel des Zweiakters verwandelt sich die Kulisse dagegen in ein Filmstudio in Los Angeles, wo die Titel von Film- und Serienhits über zahlreiche Monitore flackern.
Die Szenenwechsel, auch innerhalb der Hotelräumlichkeiten, gelingen durch den Einsatz der Drehbühne und des ausgeklügelten Bühnenbilds mit seinen zahlreichen Drehtüren im Handumdrehen, so dass filmschnittähnliche Übergänge möglich sind. Ergänzt wird die üppige Bühnenausstattung durch Heike Seidlers zeitgemäße Kostüme, die die Eleganz der 1930er Jahre wiederaufleben lassen, aber auch durch die passenden Videoeinspielungen von Sascha Vredenburg und das stimmungsvolle Lichtdesign von Sascha Zauner.
So wie bei „Märchen im Grand Hotel“ die Dialoge, Lieder und Choreografien ineinandergreifen, ähnelt diese Lustspieloperette sehr einem Musical. Und ganz im Stil großer Musicals der 1930er Jahre wurde mit Andrea Danae Kingston eine versierte Stepptanz-Choreografin engagiert – mit ihr außerdem acht stepptanzerfahrene Gäste, teilweise musicalerprobt, die zusätzlichen Schwung in die Handlung bringen, wann immer sie in der glänzenden Hotellobby auftauchen und eine Steppshownummer nach der anderen präsentieren.
Eine herrliche Solo-Steppnummer darf außerdem Alexander von Hugo in der Rolle des Albert hinlegen, für die ihn das Premierenpublikum frenetisch feiert. Doch nicht nur tänzerisch weiß von Hugo zu überzeugen. Schauspielerisch gibt er Albert ganz hinreißend, wenn er liebestrunken von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert und schlussendlich doch die große Liebe findet. Außerdem verzaubert er gesanglich mit wohltönendem Operetten-Schmelz in der Stimme. Ihm zur Seite steht mit Mercedes Arcuri eine wundervolle Bühnenpartnerin, die in der Rolle der Isabella mit Grandezza und ihrer Samtstimme begeistert sowie schauspielerisch ganz hervorragend zunächst die unnahbare exilierte Infantin gibt und später großen Gefallen an ihrer neuen Rolle als Filmdiva findet.
Alle Register ihres Könnens zieht auch Valentina Inzko Fink als Marylou Mackintosh. Mit sichtbarer Spielfreude gibt sie ihre Rolle ganz souverän als quirligen Vamp. Ihre Marylou weiß sich bei den Männern – und insbesondere beim Vater – durchzusetzen und für ihre Ziele zu kämpfen. Damit zeichnet Fink ein exzellentes und für die 1930er Jahre eher ungewöhnliches Frauenbild. Doch nicht nur schauspielerisch glänzt die junge Musicaldarstellerin, auch gesanglich und tänzerisch liefert sie eine Glanzleistung ab.
Für den Wiener Schmäh sorgt Philipp Kapeller als österreichischer Prinz Andreas Stephan mit toller Stimme, Carmen Fuggiss gibt mit spanischem Akzent eine heißblütige Gräfin Inez, Frank Schneiders agiert souverän als Hoteldirektor Chamoix und Ansgar Schäfer zeigt seine Wandlungsfähigkeit in einer Doppelrolle, wenn er einerseits den nach dem nächsten Erfolg suchenden Filmproduzenten Mackintosh und andererseits den komischen Baron Don Lossas spielt.
Doch was wäre eine Operette ohne Musik! Paul Abraham hat für „Märchen im Grand Hotel“ einen vielfältigen Stilmix komponiert, in dem Walzerklänge genauso wie Tango, Jazz und Swing vorkommen. Durch die flotten Arrangements von Kai Tietje kommt die Musik rhythmisch aufgepeppt daher, denn die vier Klarinetten wurden beispielsweise um Saxofone ergänzt. Dadurch klingt das Niedersächsische Staatsorchester unter der Leitung von Carlos Vázquez wie eine lässige Big Band, die beschwingt durch den Abend führt und maßgeblich dazu beiträgt, dass „Märchen im Grand Hotel“ an der Staatsoper Hannover großen Spaß macht. Diese Inszenierung ist charmant und witzig, ein Genuss für Auge und Ohr!
Text: Dominik Lapp