„Peter Grimes“ (Foto: Stephan Glagla)
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Fulminant wie ein Hans-Zimmer-Soundtrack: „Peter Grimes“ in Osnabrück

In einem Dorf an der Ostküste Englands wird der Fischer Peter Grimes als Außenseiter betrachtet. Die Frage steht im Raum: Ist er auch ein Mörder? Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“ wirft einen intensiven Blick auf das Psychogramm sowohl einer Dorfgemeinschaft als auch eines Mannes, der inmitten der engen Verhältnisse seines Heimatdorfes unter den anhaltenden Verleumdungen seiner Mitmenschen zu zerbrechen droht. Am Theater Osnabrück ist das jetzt in einer fesselnden Inszenierung von Jakob Peters-Messer zu sehen.

Peters-Messer entführt das Publikum in ein Dorf am Rande der englischen Klippen, wo der Kampf gegen die Natur und ums Überleben allgegenwärtig ist. In einer eindringlichen Erzählung wird die Unfähigkeit des Menschen, einen Sturm zu bändigen, mit der Unabwendbarkeit von Peter Grimes’ Konfrontation mit der Missgunst seiner Nachbarn parallelisiert. Das Meer, als unaufhaltsamer Hintergrund dieser Oper, reißt das Publikum mit und fordert die gängigen Vorstellungen von Gemeinschaft und Moral heraus.

Die Handlung, die normalerweise im Jahr 1830 angesiedelt ist, wird in Osnabrück in einem zeitlos-modernen Bühnenbild von Markus Meyer erzählt, der eine Art Swimmingpool geschaffen hat, der mal den Dorfplatz, mal Grimes‘ Fischerhütte und auch mal einen Gerichtssaal darstellt. Durch den Einsatz der Drehbühne wird die Rückseite sichtbar, die den Unterbau des Pools, ein Alugerüst, zeigt. Passend zur Story wirkt das alles sehr düster-trostlos und transportiert so die Atmosphäre sehr gut. Die Kostüme, für die ebenfalls Meyer verantwortlich zeichnet, tragen dazu bei, dass sich das Publikum in ein englisches Fischerdorf hineindenken kann. Der Chor trägt Regenkleidung und gelbe Stiefel, die Titelrolle ist als Fischer gut erkennbar, die weiteren Charaktere tragen Kleidung der Gegenwart.

Mit erbarmungsloser Intensität formiert Jakob Peters-Messer die Dorfbewohner zu einer unberechenbaren Masse, vergleichbar mit der Unvorhersehbarkeit des Meeres. Dabei veranschaulicht der Regisseur, wie Aggression und Ausgrenzung in der Gemeinschaft entstehen. Die von Sierd Quarré und An-Hoon Song hervorragend einstudierten Dorfbewohner-Choristen agieren unberechenbar wie ein aufziehender Meeressturm, wodurch sie als Kollektiv eine ebenso zerstörerische Kraft wie die Naturgewalt selbst entfalten. Die Sängerinnen und Sänger von Opern- und Extrachor erzeugen dabei kontinuierlich eine bedrohliche Atmosphäre, sei es beim Fackelzug oder mit ihren markerschütternden Rufen nach Peter Grimes.

„Peter Grimes“ (Foto: Dominik Lapp)

Der Regisseur skizziert in seiner Inszenierung die individuellen Figuren mit beeindruckender Präzision. James Edgar Knight singt und spielt als Peter Grimes eine Rolle, die ständig von inneren Konflikten gezeichnet ist. Knight vermittelt dies zu jeder Zeit auf beeindruckende Weise. Er meistert sämtliche Herausforderungen des Charakters mit Bravour, zeigt einerseits die tiefen emotionalen Schichten des Fischers und andererseits dessen impulsiv getriebene Seite. Knights gesangliche Leistung ist seiner Rolle in jeder Hinsicht gewachsen, sein hoher Tenor strahlt wie gewohnt in lebendigen Farben.

Susann Vent-Wunderlich überzeugt mit einem wunderbar aufblühenden Sopran und einfühlsamer Darstellung der Dorflehrerin Ellen Orford, die Grimes loyal unterstützt. Rhys Jenkins als Kapitän Balstrode navigiert geschickt zwischen den Fronten, verleiht seiner Figur eine klare Kontur und präsentiert einen erdigen Bass. Weitere herausragende Leistungen sind Olga Privalova als Auntie, Jelena Bankovic und Susanna Edelmann als Nichten, Anna Stepanets als Mrs. Sedley, Mikolaj Bonkowski als Rechtsanwalt Swallow, Daniel Preis als Bob Boles sowie Jan Friedrich Eggers als Apotheker Ned Keene zu bestätigen.

Die emotional aufgeladene Musik Brittens, die manchmal so fulminant wie ein Hans-Zimmer-Soundtrack klingt, erhebt sich wie aufbäumende Wellen und dringt tief in die Seele ein. Generalmusikdirektor Andreas Hotz am Dirigentenpult führt das Osnabrücker Symphonieorchester souverän durch die anspruchsvolle Partitur und schafft dabei ein ausdrucksstarkes Bild des Meeres – bedrohlich, gewaltig, unberechenbar und gefährlich. Die Musik wechselt zwischen den leisen Tönen der seelischen Einsamkeit und lauten Klängen, die geradezu wie Monsterwellen über das Publikum hereinbrechen.

Obwohl diese außergewöhnliche Klangwelt nicht bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern auf gleiche Resonanz stößt – zahlreiche Plätze im ohnehin nur etwa zur Hälfte besetzten Auditorium bleiben nach der Pause leer – beweist das Theater Osnabrück mit dieser Inszenierung, dass „Peter Grimes“ aufgrund der musikalischen Dynamik in Kombination mit kraftvollen Stimmen und einer spannenden Darstellung einen Besuch wert ist.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".