Energiegeladen: „Rent“ in Hamburg
Am First Stage Theater in Hamburg brillieren junge Menschen zurzeit im Musical „Rent“. Dabei handelt es sich um Schülerinnen und Schüler der Stage School, die gerade ihr zweites Ausbildungsjahr abgeschlossen haben und jetzt eindrucksvoll zeigen, dass sie bereit sind für das dritte und letzte Jahr ihrer Musicalausbildung – und den ersten Schritt in ihrer künstlerischen Profikarriere.
Besonders stark ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur auf der Bühne glänzen, sondern auch hinter den Kulissen ihre Kreativität und ihr Organisationstalent unter Beweis stellen. Sie sind selbst verantwortlich für Bühnenbild, Kostüme, Licht, Regie und Choreografie, aber auch für das Marketing.
Das Bühnenbild von Timo Stark nutzt geschickt das bestehende Setup von „A Chorus Line“ und ergänzt es durch Elemente wie ein Gerüst und Fenster, um eine typische Loft-Atmosphäre zu kreieren. Diese Anpassungen schaffen zusammen mit den zeitgemäßen Kostümen von Lina Sophie Martens die perfekte Kulisse für die Geschichte von „Rent“, die im New York der Neunzigerjahre spielt und sich mit Themen wie Liebe, Verlust, sozialer Gerechtigkeit und Aids auseinandersetzt.
Die Darstellerinnen und Darsteller beeindrucken durch ihr schauspielerisches, gesangliches und tänzerisches Können. Jeder Charakter wird von ihnen mit einer solchen Hingabe und Intensität dargestellt, dass die Grefühle und Konflikte der Figuren für das Publikum greifbar werden. Die musikalischen Nummern (Musikalische Leitung: Dominique Amport, Übersetzung: Wolfgang Adenberg) sind kraftvoll und mitreißend, die Choreografie von Lina Sbaita dynamisch und präzise.
Duygu Yüzbasioglu verkörpert die Rolle der Mimi mit einer gelungenen Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke. Ihre Darstellung der kämpfenden, hoffnungsvollen Nachtclub-Tänzerin ist glaubwürdig, ihr Gesang beachtlich. Lorin Goltermann brilliert als Musiker Roger, der von der Suche nach dem perfekten Song zerrissen ist. Emotionale Tiefe zeigt er stimmlich unter anderem in der Nummer „Find ein Lied“ („One Song Glory“).
Jessica Staffler bringt die rebellische Künstlerin Maureen mit viel Charisma und Energie auf die Bühne. Ihre Performance in „Flieg mit mir zum Mond“ („Over the Moon“) ist großartig, ein Highlight der Show ist zudem ihr Duett „Lass mich oder verlass mich“ („Take me or leave me“) zusammen mit Annika Müller, die in der Rolle der Anwältin Joanne glänzt und der Figur durch die Darstellung von inneren Konflikten und Unsicherheiten eine tiefere Dimension verleiht.
Babak Malekzadeh verkörpert den Philosophieprofessor Collins mit einer Wärme und Herzlichkeit, die das Publikum berührt. Seine Darbietung der Reprise „Mit Liebe bedeck‘ ich dich“ („I’ll cover you“) ist einer der emotionalen Höhepunkte der Show, bei dem Collins seine starke Verbundenheit mit der verstorbenen Angel zeigt, die von Timo Stark mit einer mitreißenden Energie und Lebensfreude auf die Bühne gebracht wird.
Philip Rakoczy spielt den Filmemacher Mark sehr mitfühlend. Seine Erzählweise als Dokumentarfilmer führt das Publikum durch die komplexen Themen des Musicals und schafft eine Verbindung zu den anderen Charakteren. Dabei zeigt er sowohl schauspielerische als auch gesangliche Vielseitigkeit. Eine spannende und authentische Charakterentwicklung gelingt zudem Tobias Graiger als Benni.
Ein besonderes Lob gilt der Regie von Ilka Kottkamp, die es geschafft hat, die komplexe Handlung von „Rent“ klar und nachvollziehbar zu inszenieren, ohne die tiefgründigen Botschaften des Stücks zu simplifizieren. Das Lichtdesign von Daniel Holtz trägt wesentlich zur Stimmung bei und verstärkt die dramatischen Höhepunkte ebenso wie die intimen Momente der Inszenierung.
Insgesamt ist diese Produktion von „Rent“ ein beeindruckendes Beispiel dafür, was junge Talente mit Engagement und Kreativität erreichen können. Sie zeigt, dass die nächste Generation von Künstlerinnen und Künstlern bestens gerüstet ist, um die Bühnen dieser Welt zu erobern. Diese energiegeladene Show ist ein Muss!
Text: Dominik Lapp