„Rocky Horror Show“ (Foto: Tim Müller)
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Ikonisches Kultstück: „Rocky Horror Show“ in Hildesheim

Es ist ein ikonisches Kultstück: Die „Rocky Horror Show“ von Richard O’Brien animiert das Publikum auch am Theater für Niedersachsen in Hildesheim, teilweise in Netzstrümpfen, Korsagen, mit bunten Perücken oder Federboas zur Vorstellung zu erscheinen. Das Musical hat einen Kultstatus erreicht, weil es vom Mitmachcharakter lebt. Die im Foyer verkauften Fanbags erfreuen sich jedenfalls größter Beliebtheit, die darin befindlichen Utensilien wie Luftschlangen, Zeitung, Knicklichter und Kussmundpfeifen werden zahlreich während der Show eingesetzt.

Die Handlung ist oberflächlich, die Charaktere sind überzeichnet, aber das gehört bei diesem Stück dazu. Die Inszenierung von Oliver Pauli ist kurzweilig, unterhaltsam, bunt und obszön – und sie verrät schon zu Beginn, dass es sich bei den Bewohnern von Frank’n’Furters Schloss um Aliens handelt. Sebastian Ellrich hat dazu entsprechend exzentrische Kostüme mit viel Lack entworfen und ein Bühnenbild erdacht, das eine abstrakte Hotel-Situation im Pop-Art-Stil schafft, während die Choreografie von Farid Halim leider etwas unterrepräsentiert ist.

Die fünfköpfige Band unter der Leitung von Andreas Unsicker beherrscht ihr Handwerk meisterhaft: Die wummernden Bässe und harten Gitarrenriffs gehen super ins Ohr und schaffen eine ausgelassene Atmosphäre. Die Story mit deutschen Dialogen und englischen Songs wird von Christopher Wernecke als Erzähler kommentiert und zusammengefasst. Dabei dürfen aus dem Auditorium selbstverständlich die obligatorischen Rufe („Langweilig!“, „Boring!“) nicht fehlen. Als geniale Idee erweist sich sein Kostüm, das den Erzähler einerseits als Hotelportier und andererseits durch einen großen Aufziehschlüssel auf dem Rücken als Roboter identifiziert.

Auch der Rest des Ensembles überzeugt mit durchweg starken Leistungen. Besonders hervorzuheben ist Daniel Wernecke, der als Frank’n’Furter mit seiner Rockstimme und dem exaltierten Spiel begeistert. Samuel Jonathan Bertz als überdrehter Riff Raff steht ihm in nichts nach und reißt das Publikum mit. Jack Lukas gibt seinen Rocky mit klarer Stimme, während Louis Dietrich und Patrizia Unger als Brad und Janet („Weisssss“) stimmlich wunderbar harmonieren und hervorragend komödiantisch spielen. Prächtig überzogen spielt Katharina Wollmann die Columbia, Elisabeth Köstner fesselt als Magenta mit ihrem Gesang in der Nummer „Science Fiction Double Feature“ und Jürgen Brehm dreht schauspielerisch richtig gut auf in der Doppelrolle von Eddie („Pscht!“) und Dr. Scott („Uuuh!“).

Das Publikum in Hildesheim feiert die Cast und Show von Anfang an. Mitreißend wird hier mit gesellschaftlichen Normen und Tabus gebrochen – insbesondere in Bezug auf Geschlechterrollen und Sexualität. Die „Rocky Horror Show“ provoziert und fordert die Konventionen heraus, präsentiert ikonische Charaktere und bietet eine interaktive Erfahrung, so dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer animieren lassen, den „Time Warp“ mitzutanzen. Ja, dieser Kultklassiker funktioniert auch am Theater für Niedersachsen.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".