Bizarre Bühnenshow: „Rocky Horror Show“ auf Tour
Bei der „Rocky Horror Show“ handelt es sich um ein echtes Kultstück. Zwar wird darauf hingewiesen, nicht mit Reis und ganzen Klopapierrollen zu werfen und keine größeren Wasserpistolen zu verwenden. Aber die Besucher, die teilweise in Netzstrümpfen und Korsagen gekleidet ins Theater gekommen sind, können Fan-Taschen mit Konfetti, Ratsche, Gummihandschuh, kleiner Wasserpistole und weiteren Mitmachartikeln erwerben. Und man muss sich schon fragen, warum die „Rocky Horror Show“ so einen Kultstatus erlangen konnte.
Die Handlung ist flach, die Charaktere sind überzeichnet und doch ist das Stück – zumindest in der aktuell auf Tour befindlichen Inszenierung von Sam Buntrock – ziemlich kurzweilig, bunt und rockig. Großartig, wie Jeff Frohner seine fünf Musiker bestens im Griff hat: Die wummernden Bässe, eine knackige Base-Drum und starke Gitarrenriffs gehen super ins Ohr und sorgen für eine ausgelassene Stimmung im Auditorium.
Optisch orientiert sich Buntrocks Inszenierung am Kino. So beginnt die Show mit Ausschnitten aus B-Movies, die auf einer Leinwand gezeigt werden. Dass sich das Stück als Parodie auf Low-Budget-Horrorfilme versteht, stellt der Regisseur außerdem durch einige cineastische Segmente heraus – sei es die an Hitchcocks „Psycho“ erinnernde Szene, in der Eddie hinter einem Duschvorhang ermordet wird oder die Floorshow, in der Frank’n’Furter auf King Kongs überdimensionaler Hand Platz nimmt. All diese Regieeinfälle funktionieren gut und treiben die Show gut voran.
Die im englischen Original belassene Show wird durch Sky du Mont als Erzähler in deutscher Sprache kommentiert und zusammengefasst. Dabei gefällt seine angenehme tiefe Stimme genauso wie der trockene Humor, wenn er auf die obligatorischen „Boring“-Rufe reagiert („Da müsst ihr jetzt durch. Muss ich ja auch – und das jeden Abend“).
Auch die weitere Cast glänzt mit durchweg starken Leistungen. Allen voran ist es Gary Tushaw, der in der Rolle des Frank’n’Furter mit seiner Rockröhre dem Publikum mächtig einheizt. Mit der fabelhaften Darbietung von „Sweet Transvestite“ gelingt ihm ein Showstopper, bei „I’m going home“ überzeugt er dagegen mit gefühlvoller Stimme. Stuart Matthew Price als schauspielerisch wunderbar überdrehter Riff Raff steht dem in nichts nach. Schon bei „There’s a Light“ reißt er das Publikum mit seiner kraftvollen Stimme zu einem wahren Begeisterungssturm hin, gefolgt von einem herrlichen „Time Warp“.
Als Rocky glänzt Ryan Goscincki mit gestähltem Körper und klarer Stimme, während Felix Mosse und Sophie Isaacs dem anfangs biederen Pärchen Brad und Janet ihren Stempel hervorragend aufdrücken, wenn sie mit angenehmen Stimmen singen und hervorragend komödiantisch spielen. Prächtig überzogen spielt Holly Atterton die Columbia, Anna Lidman singt mit schöner Stimme die Magenta und vermag vor allem zum Schluss mit der Nummer „Science Fiction Double Feature“ zu fesseln.
Getragen wird die „Rocky Horror Show“ somit vor allem von einem erstklassigen Ensemble und einer exzellent rockenden Band. In Verbindung mit der sehr gut passenden Filmstudio-Ausstattung und den ausgefallenen Kostümen von David Farley, dem treffenden Lichtdesign von David Howe und der kessen Choreografie von Matthew Mohr ist hier eine bizarre Bühnenshow entstanden, die Spaß macht. Doch das Stück beweist einmal mehr, dass man die „Rocky Horror Show“ entweder liebt oder hasst. Dazwischen gibt es nichts.
Text: Dominik Lapp