Horrorpersiflage: „Das Geheimnis der Irma Vep“ in Osnabrück
Auf dem englischen Gut Mandacrest verzweifelt Lady Enid im Wohnzimmer an der Allgegenwärtigkeit ihrer verstorbenen Vorgängerin Irma Vep, deren Porträt über dem Kamin unheilvoll dreinblickt. So beginnt das Schauspiel „Das Geheimnis der Irma Vep“ von Charles Ludlam im Osnabrücker emma-theater. Was in anderthalb Stunden folgt, ist eine herrliche Horrorpersiflage, die von zwei exzellenten Schauspielern gestemmt wird: Thomas Kienast und Oliver Meskendahl.
Seit vielen Jahren gehören die beiden Schauspieler zum Ensemble des Theaters Osnabrück. Seit vielen Jahren haben sie dort in unzähligen Stücken und Rollen bereits ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Doch mit dem Zwei-Personen-Stück um die mysteriöse Irma Vep legen Kienast und Meskendahl noch einmal eine Schippe drauf und übertreffen sich einmal mehr selbst. Mit Blitzumzügen decken sie alle Rollen in der Komödie ab und entlocken insbesondere in ihren Frauenrollen dem Publikum etliche Lacher.
In rasanter Geschwindigkeit verwandelt sich Oliver Meskendahl von der affektierten Lady Enid zum bizarren Stallburschen Nicodemus, der bei Vollmond zu einem Werwolf mutiert. Aber auch die Transformation zum arabischen Fremdenführer Alcazar und zur Mumie Pev Amri gelingt ihm mit Bravour. Thomas Kienast gibt Lord Edgar als besessenen Werwolfjäger und Ägyptologen, die Hausdame Jane dagegen herrlich intrigant.
Insgesamt lebt das Stück also von der Spielfreude der Protagonisten. Dazu servieren Kienast und Meskendahl viele Gags („Die Jungfräulichkeit ist der Luftballon des Karnevals. Ein Stich und – Peng!“) und wechseln so virtuos zwischen ihren Rollen hin und her, dass sie dafür mehrfach Szenenapplaus erhalten. Im Fokus steht dabei immer vielmehr die Situationskomik als die Handlung.
Teilweise verlagert sich das Geschehen dann auch hinter die Kulissen, wenn sich Dialoge zwischen mehr als zwei Figuren abspielen. Diese Herausforderung wurde durch das Verstellen der Stimmen exzellent gemeistert, und auch die Ausstattung trägt ihren Teil zu einer rundum gelungenen Inszenierung bei. So hat Christin Treunert, die außer für die Bühne ebenso für die zeitgemäßen Kostüme verantwortlich zeichnet, ein wandelbares Bühnenbild geschaffen, das sich um die eigene Achse dreht und dadurch ganz schnell aus Gut Mandacrest einen Marktplatz oder eine ägyptische Grabkammer entstehen lässt.
Regisseur Dominique Schnizer hat die Figurenzeichnung außen vor gelassen und „Das Geheimnis der Irma Vep“ als zackige Tour de Force inszeniert. Geschaffen hat er damit einen genauso spannenden wie komischen „Eingroschengrusel“, angelehnt an Alfred Hitchcocks Film „Rebecca“ und bekannte Motive aus Horrorfilmen und Schauerliteratur. Dabei lässt Schnizer alle Mythen des Trivialen an- und gnadenlos ausspielen, von der genialen Welt der Edgar-Wallace-Filme über Bram Stokers „Dracula“ bis hin zu Roman Polanskis „Tanz der Vampire“. Ein großer Spaß!
Text: Dominik Lapp