„Hinter verzauberten Fenstern“ (Foto: Dominik Lapp)
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Zauberhaft: „Hinter verzauberten Fenstern“ in Essen

Ein tollpatschiger Flugmaschinenerfinder in einer fliegenden Badewanne? Das klingt doch ganz fantastisch – und sieht auch fantastisch aus! Im Grillo-Theater Essen werden zurzeit nämlich regelmäßig die Fenster zu einer Fantasiewelt geöffnet, wenn vor strahlenden Kinderaugen die Bühnenadaption von Cornelia Funkes Kinderbuch „Hinter verzauberten Fenstern“ gespielt wird. Die vor 30 Jahren veröffentlichte Geschichte wurde von Vera Ring und Anne Spaeter, die in Essen selbst Regie führte, für die Bühne adaptiert und von Dominik Dittrich mit Musik und Liedtexten ausgestattet. Dabei herausgekommen ist ein zauberhaftes Bühnenmärchen.

Wer mit Cornelia Funkes Büchern wie „Tintenherz“, „Reckless“ oder „Drachenreiter“ vertraut ist, kennt die von ihr erdachten Fantasiewelten, die sie oft mit der realen Welt verwoben hat. So ist es auch bei „Hinter verzauberten Fenstern“. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen zwei Kinder: Während Olli von der Mutter einen Schokoladen-Adventskalender bekommen hat, ärgert sich seine ältere Schwester Julia darüber, dass sich hinter den Fenstern ihres Adventskalenders nur vermeintlich langweilige Bildchen verbergen. Doch schnell entdeckt sie das Geheimnis, dass sie durch die Fenster eine geheimnisvolle Fantasiewelt betreten kann.

Fabian Lüdicke hat dafür ein wandlungsfähiges, buntes Bühnenbild entworfen, das einen gleitenden Übergang zwischen Real- und Fantasiewelt ermöglicht. Regisseurin Anne Spaeter hat dazu die Bühnenwerker als Heinzelmännchen in die Handlung eingebunden, um sie die Kulissen schieben zu lassen. So wird aus dem Kinderzimmer ganz schnell ein Kalenderhaus oder ein Königsschloss. Kostümbildnerin Anne Koltermann hat sich mit genauso bunten wie aufwändigen Stoffen ausgetobt, um den alten König, die Elfe, den Riesen oder den Flugmaschinenerfinder authentisch erscheinen zu lassen.

Und weil in so einer Fantasiewelt nicht nur gesprochen, sondern wie in einem Disneyfilm zeitweise auch gesungen wird, hat der Musikalische Leiter Dominik Dittrich einige gefällige Musiknummern komponiert, in denen beispielsweise der Bösewicht mit E-Gitarre und rauer Heavy-Metal-Stimme auftritt, bevor er den Prinzen auf eine Burg aus Schokoladentafeln verschleppt und dessen Freunde, bewaffnet mit Kalorienbomben, auf einer großen Flugmaschine zur Hilfe eilen. All das ist so zauberhaft anzusehen, dass einem warm ums Herz wird und es kein Wunder ist, dass die anwesenden Kinder immer wieder herzlich lachen oder interessiert diskutieren.

Lene Dax gelingt das Glanzstück, die Rolle der Julia äußerst authentisch darzustellen. Und auch Julius Ohlemann verkörpert als Olli den jüngeren Bruder von Julia ganz hervorragend als nervig-trotziges Energiebündel. Wenn Erwachsene Kinderrollen spielen, mag das auf die großen Besucher im Saal zunächst befremdlich wirken, die kleineren Besucher allerdings wissen damit sehr gut umzugehen, wie an ihren Reaktionen abzulesen ist.

Gregor Henze gibt den Flugmaschinenerfinder Jakobus herrlich tollpatschig, Stephanie Schönfeld darf als alte Elfe Melissa nicht nur das Fluggeschirr anziehen und über die Bühne fliegen, sondern auch mit allerhand glitzerndem Elfenstaub umherwerfen, und Benno Schulz drückt dem Heinzelmann Barney einen geradezu liebenswürdigen Stempel auf.

Dagegen gibt Philipp Noack als Leo einen Bösewicht wie aus dem Bilderbuch ab, so überzeugend fies gelingt ihm seine Rollenzeichnung. Der Höhepunkt dabei ist seine bereits erwähnte Performance als Musiker in bester Heavy-Metal-Manier. Doch auch Stefan Diekmann als der hässliche Prinz Harry, Rezo Tschchikwischwili als seniler König und Sven Seeburg als sympathischer Riese Riesig spielen ihre Rollen perfekt und komplettieren die durchweg überzeugende Schauspielerriege.

Durch die fantasievolle Umsetzung und die wunderbare Figurenzeichnung in Verbindung mit der musikalischen Untermalung, vergeht die rund 100-minütige Vorstellung von „Hinter verzauberten Fenstern“ wie im Flug. Am Ende gibt es viel Applaus von Groß und Klein sowie Zugabe-Rufe von den jüngsten Besuchern – ein verdient großes Lob für Regisseurin Anne Spaeter und ihr Team und ein Beweis, dass am Grillo-Theater die Fantasiewelt Cornelia Funkes ganz zauberhaft eingefangen wurde.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".