Zauberhaft: „Die Schöne und das Biest“ auf Tour
„Märchen schreibt die Zeit“, heißt es wieder, denn Disneys „Die Schöne und das Biest“ ist in der Inszenierung des Budapester Operettentheaters erneut auf Deutschlandtournee. Besonders erfreulich dabei: Die künstlerische Qualität hat sich in den letzten Jahren sehr zum Positiven entwickelt. Wenn auch der ungarische Akzent einzelner Darsteller den Zuschauern noch immer einiges an Konzentration abverlangt, um den Dialogen folgen zu können, so sind die Mitwirkenden inzwischen sehr sicher in ihren Rollen, was Authentizität im Schauspiel verspricht.
Die Inszenierung von György Böhm unterscheidet sich sehr stark von Disneys Originalinszenierung, die unter anderem in New York, Wien und Stuttgart zu sehen war. Wie schon die Version, die Stage Entertainment in Oberhausen und Berlin gezeigt hat, ist auch die ungarische Inszenierung wesentlich abgespeckter in der Ausstattung, was dem Stück aber durchaus zugutekommt. Der Zuschauer wird nicht mehr erschlagen von Bühnenbildbombast und optischer Opulenz. Dadurch steht nicht nur die Geschichte stärker im Fokus – auch die Darsteller können stärker auf Mimik und Gestik setzen und somit mehr Emotionen über die Rampe bringen.
Die Tourproduktion überzeugt außerdem mit den aufwändigen Kostümen von Erzsébet Túri und dem Bühnenbild von István Rósza. Von der französischen Kleinstadt, durch den finsteren Wald bis ins opulente Schloss – sehenswert sind die Szenen allemal, wenn auch nicht mehr so aufwändig wie im Original. Herzstück der Inszenierung ist das beeindruckende Schloss des Biestes. Durch den Einsatz der Drehbühne entstehen hier sehr schnell neue Szenenbilder wie die Eingangshalle, ein Verlies, der verbotene Westflügel, Belles Zimmer oder ein Ballsaal. Sehr schön umgesetzt wurde aber auch die Szene, in der Gaston und Lefou Doktor D’Arque aufsuchen. Hier wabert Nebel über die Bühne und die Akteure legen mit einem Ruderboot am Steg eines Irrenhauses an.
Unterstützt werden all die schönen Bühnenbilder durch ein stimmiges Lichtdesign sowie die detailverliebten Kostüme der verzauberten Schlossbewohner. Ob nun Kerzenleuchter, Standuhr oder Teekanne – die Kostüme transportieren den Zauber des Musicals ganz hervorragend, lassen den Darstellern aber noch genug Freiraum zur künstlerischen Entfaltung.
Auf hohem Niveau agieren zudem die ungarischen Künstler. Allen voran ist es Sándor Barkóczi, der als Biest mit charaktervoller Stimme und authentischem Schauspiel die stärkste Leistung des Abends abliefert. Die Wandlung vom gefährlich anmutenden Monster zum liebevollen Schoßhündchen gelingt ihm großartig. Mit seiner fesselnden Interpretation des Klageliedes „Wie kann ich sie lieben?“ entlässt er das atemlose Publikum schließlich in die Pause.
Mit jugendlicher Leichtigkeit interpretiert Kitti Jenes die zuckersüße Belle, die schnell die Aufmerksamkeit der Zuschauer gewinnt. Mit klarem Sopran bietet sie ihre Soli dar, und schauspielerisch ist sie einerseits das Bücher verschlingende Mädchen, andererseits eine taffe Frau, die nicht nur den Dorfmacho abblitzen lässt, sondern nebenbei auch noch ein Biest zu zähmen vermag und an Stelle ihres Vaters freiwillig in Gefangenschaft geht.
Mit der deutschen Sprache zu kämpfen hat Attila Nemeth, was seine Darstellung des Gaston etwas leiden lässt. Zwar glänzt er mit herrlich überspitztem Machogehabe, doch steht er sich aufgrund seines Akzents gesanglich selbst im Weg. Ein exzellentes komödiantisches Timing beweist Attila Serbán, der Gastons Sidekick Lefou mit Bravour spielt. Mit französischem Akzent, Witz und Charme steht Balázs Angler als Lumière auf der Bühne, Tamás Földes gibt Herrn von Unruh mit trockenem Humor, Ágota Siménfalvy begeistert als Madame Pottine mit der Interpretation des Titelsongs, Nikolett Füredi bringt als kesse Babette etwas Sexappeal in die Geschichte und Ottó Magócs gibt Belles Vater Maurice als herrlich schrulligen Erfinder.
Ein weiterer Höhepunkt ist das 21-köpfige Orchester unter der Leitung von László Makláry, das einen opulenten Hörgenuss bietet, den man aus vielen Musicalhäusern so gar nicht mehr kennt. Makláry treibt sein Orchester zu Höchstleistungen an, lässt Streicher mit Bläsern verschmelzen und sorgt mit Alan Menkens fantastisch zeitlosen Melodien für das ganz besondere Flair, das man auch aus dem Disney-Film kennt.
Insgesamt verspricht die Tourproduktion von „Die Schöne und das Biest“ beste Unterhaltung auf hohem Niveau. Wer sich am Akzent einzelner Darsteller nicht stört und die manchmal etwas zu sehr in den Klamauk abdriftenden Szenen ertragen kann, erlebt ein gelungenes Musical mit sehenswerten Bildern, einer märchenhaften Geschichte und fantastischer Musik. Hinter vorangegangenen Produktionen braucht sich György Böhms Inszenierung von „Die Schöne und das Biest“ jedenfalls nicht zu verstecken.
Text: Dominik Lapp