„Soho Cinders“ (Foto: Dominik Lapp)
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Queeres Aschenputtel: „Soho Cinders“ in Osnabrück

Soho ist ein buntes Londoner Szeneviertel und Schauplatz einer Märchenadaption der besonderen Art. George Stiles (Musik), Anthony Drewe (Buch und Songtexte) und Elliot Davis (Buch) haben in ihrem Musical „Soho Cinders“ aus dem traditionellen Aschenputtel einen verarmten queeren Studenten gemacht – jetzt hat das Stück am Institut für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück seine deutschsprachige Erstaufführung erlebt. Es ist gleichzeitig die Abschlussproduktion der Studierenden, die 2023 ihr Musicalstudium abschließen werden.

Bei Stiles und Drewe ist das Aschenputtel männlich, schwul und verarmt sowie mit zwei hässlichen Stiefschwestern bestraft. Seine Nebentätigkeit als Escort beschert Robbie die große Liebe. Allerdings handelt es sich bei seinem Traumprinzen ausgerechnet um James Prince, der als aufstrebender Jungpolitiker Bürgermeister von London werden möchte und bereits mit der Anwältin Marilyn Platt verlobt ist. So treffen zwei Welten aufeinander und ein Skandal bahnt sich an, in den auch noch Lord Bellingham verwickelt ist.

„Soho Cinders“ (Foto: Dominik Lapp)

Nach der deutschsprachigen Erstaufführung von „Ruthless“ vor zwei Jahren, ist Christian Stadlhofer ans IfM zurückgekehrt, um ebenso bei „Soho Cinders“ Regie zu führen. In seiner Inszenierung erzählt er nicht nur die zentrale Geschichte, sondern legt gekonnt einen Fokus auf kleine Nebenhandlungen. Dabei nimmt er alle Figuren und ihre Geschichten ernst, verwebt die Handlungsstränge miteinander und bringt alles gemeinsam zu einem großen Finale. In Verbindung mit der mitreißenden Choreografie von Vanni Viscusi, entwickelt die Inszenierung eine wunderbare Dynamik und ein angenehmes Tempo, so dass zu keiner Zeit Langeweile aufkommt.

Das Bühnenbild von Jörg Brombacher ist einfach, aber flexibel nutzbar: Zwei schwarze Gerüste, ausgestattet mit Wänden, Fenstern und Türen, bilden zweistöckige Häuserfronten, die verschiedene Orte wie einen Waschsalon, Nachtclub oder den Trafalgar Square entstehen lassen. Die Kostüme von Anni Purkert spiegeln die Mode der Gegenwart wider und unterstreichen die einzelnen Charaktere sehr gut. Abgerundet wird die Optik durch das passende Lichtdesign von John Ossowitzki und Karl Fischer.

„Soho Cinders“ (Foto: Dominik Lapp)

Im IfM-Tonstudio spielt die fünfköpfige Band (Keyboard, Drums, Bass, zwei Gitarren) unter der Leitung von Martin Wessels-Behrens die eingängige und poppig angehauchte Musik von George Stiles, die live ins Auditorium übertragen wird. Die 17 Songs umfassende Partitur klingt dabei genauso abwechslungsreich wie heutig und frisch, bietet emotionale Duette, Popsoli und große Ensemblenummern.

Exzellent klingen außerdem die treffenden deutschen Texte von Holger Hauer, die von einer durchweg beeindruckenden Cast intoniert werden. Niklas Roling gibt als Robbie eine liebenswürdige queere Version des Aschenputtels. Als verarmter Student, der sich als Escort finanziell über Wasser hält, macht Roling einen genauso smarten wie sympathischen Eindruck und glänzt mit leidenschaftlichem Gesang. Clara Marie Hendel mimt als Velcro Robbies beste Freundin und schöpft dabei schauspielerisch wie gesanglich ebenfalls aus dem Vollen.

„Soho Cinders“ (Foto: Dominik Lapp)

Ein grandioses Schwesterngespann stellen Manar Elsayed als Clodagh und Anna Fink als Dana dar. Sie überzeichnen ihre fiesen Figuren so karikaturesk, dass sie dem Publikum damit etliche Lachsalven entlocken. Patrick Bertels gibt als James Prince einen wie aus dem Ei gepellten Jungpolitiker und singt mit strahlend schöner Stimme. Doch Hannah Miele als Marilyn Platt an seiner Seite, vermag er nicht zu überstrahlen. Denn Miele spielt nicht nur überzeugend die taffe Anwältin und betrogene Verlobte, sondern begeistert insbesondere mit ihrem eindrucksvollen Gesang.

In der Rolle des William George gewinnt Sandro Wenzing das Publikum schauspielerisch genauso wie gesanglich als ein mit allen Wassern gewaschener Wahlkampfmanager, der zum Ende hin überrascht, wenn er selbst nach der politischen Macht greift. Als Gast engagiert, verleiht Mario Zuber seinem Lord Bellingham eine edle Statur, Leonie Dietrich gefällt als Williams Assistentin Sasha mit ihrem erfrischenden Schauspiel und Benny Meisenberg führt als Erzähler ausgezeichnet durch die Story.

Gewissermaßen ist diese Story in „Soho Cinders“ eine Geschichte von der und für die LGBTQ+ Community, geschrieben von einem Team, das selbst in der Gemeinschaft zu Hause ist und den Mut hatte, eine queere Figur nicht zum Sidekick, sondern zur Hauptfigur zu machen. Diesen Charakter noch mit einer modernen Fassung des Aschenputtel-Märchens zu verknüpfen, erweist sich als geniale Idee – genauso genial, wie das Stück in Osnabrück den Weg auf die Bühne fand.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".