„Sweeney Todd“ in Dortmund (Foto: Dominik Lapp)
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Sehenswert, aber ohne Überraschungen: „Sweeney Todd“ in Dortmund

Die Oper Dortmund wagt sich mit Stephen Sondheims „Sweeney Todd“ an ein gewaltiges Werk – und was für ein Spektakel sie dem Publikum bietet! Besonders hervorzuheben ist die Leistung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Koji Ishizaka. Die Musikerinnen und Musiker schaffen es, die düstere, dramatische Atmosphäre der Partitur meisterhaft umzusetzen, vom schneidenden Klang der Eröffnung bis hin zu den sanfteren, melancholischen Melodien. Ishizaka gelingt es, Sondheims komplexe, rhythmisch herausfordernde Kompositionen so präzise und lebendig zu dirigieren, dass die Musik zum Herzschlag dieser Inszenierung wird. Ein wahres Fest für die Ohren!

Morgan Moody als Sweeney Todd liefert eine kraftvolle, tiefgehende Performance ab, die das Publikum mit seiner packenden Bühnenpräsenz und stimmlichen Autorität beeindruckt. Er lässt die emotionale Zerrissenheit der Figur spürbar werden, und seine Darstellung des rachsüchtigen Barbiers bleibt lange im Gedächtnis. Bettina Mönch als Mrs. Lovett überzeugt mit scharfsinnigem Humor und einer Energie, die ihre Auftritte zum Highlight des Abends machen. Ihre Stimme verleiht den humorvollen wie auch ernsten Seiten der Pastetenbäckerin eine wunderbare Vielschichtigkeit. Optisch wirken Moody und Mönch wie Abziehbilder von Johnny Depp und Helena Bonham Carter in der Verfilmung von Tim Burton.

Jonas Hein als Anthony Hope bringt eine warme, optimistische Note in die Geschichte. Sein strahlender Tenor und seine jugendliche, verliebte Art bieten einen schönen Kontrast zum dunklen Thema des Musicals. Julius Störmer als Tobias Ragg begeistert mit einer herzzerreißenden Darstellung, indem er die Verletzlichkeit und das gutherzige Wesen seiner Figur äußerst glaubwürdig visualisiert.

Andreas Laurenz Maier bringt als Richter Turpin eine bedrohliche, kalte Intensität auf die Bühne, die geradezu erschaudern lässt. Seine Darstellung ist beklemmend und faszinierend zugleich. Florian Sigmund verleiht Büttel Bamford die richtige Dosis an widerlicher Schleimigkeit und köstlicher Abscheulichkeit. Nina Janke als Bettlerin beeindruckt mit starker Bühnenpräsenz und einer stimmlichen Interpretation, die das Leid und den Wahnsinn ihres Charakters fesselnd spürbar macht.

Fritz Steinbacher überzeugt in einer Doppelrolle als Adolfo Pirelli und Mr. Fogg mit charmanter Wandelbarkeit und starken humorvollen Momenten. Ein wenig blass bleibt dagegen Harriet Jones als Johanna Barker, zumal ihre gesangliche Darbietung stellenweise schwer zu verstehen ist.

Das Kreativteam zeigt bei dieser Inszenierung ebenfalls Glanzleistungen. Jens Kilians Bühnenbild ist atemberaubend: Der überdimensionale Backofen, der sich öffnen und die verschiedenen Schauplätze enthüllen kann, ist eine kreative und eindrucksvolle Lösung. Kilians Szenerie unterstreicht die unheimliche Atmosphäre und die düsteren Geheimnisse, die sich unter der Oberfläche verbergen. 

Die Kostüme von Falk Bauer fangen die viktorianische Zeit der Handlung präzise ein und tragen zur Authentizität der Szenerie bei, erinnern aber ebenfalls an die Burton-Verfilmung. Michael Grundners Lichtdesign hat die Qualität einer Großproduktion – die geschickte Beleuchtung betont die Spannung und Dramatik der Inszenierung perfekt und sorgt für Gänsehautmomente.

Die Regie von Gil Mehmert ist solide und klassisch, wenn auch ohne große Überraschungen. Er setzt auf bewährte Effekte und eine klare, ausladende Zeichnung der Figuren, die die Geschichte fesselnd erzählen, jedoch keine neuen Interpretationen oder Wendungen bieten. Der große Ofen, der sich aus der Bühne erhebt, ist beeindruckend, aber in seiner Wiederholung auch vorhersehbar, da Mehmert auf den Effekt mit dem Hubpodium bereits bei seinen Dortmunder Musicalinszenierungen von „Rent“ und „Jekyll & Hyde“ zurückgegriffen hat, wo ein Café beziehungsweise Dr. Jekylls Labor aus der Bühne emporfuhr. Insgesamt also eine sehenswerte, sorgfältig inszenierte Produktion, die dank herausragender musikalischer und schauspielerischer Leistungen sowie einer stimmungsvollen Atmosphäre das Publikum begeistert, aber keinen neuen, spannenden Blickwinkel eröffnet.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".