Mit Abstrichen sehenswert: „Tanz der Vampire“ in Hamburg
Sie sind einfach nicht totzukriegen, die singenden Vampire von Jim Steinman (Musik) und Michael Kunze (Buch und Songtexte). Zwar ist die Ausstattung noch immer wirkungsvoll und die Musik von Steinman fetzt nach wie vor. Aber das Musical „Tanz der Vampire“ hat vor allem musikalisch über die Jahre etwas gelitten, wie sich bei der Premiere im Operettenhaus Hamburg zeigt. Nach den Spielzeiten in der Neuen Flora und dem Theater an der Elbe ist es jetzt bereits der dritte Spielort in Hamburg – und lediglich eine Notlösung, um das Theater nach der frühzeitigen Absetzung von „Hamilton“ und der Deutschlandpremiere von „& Juliet“ nicht leer stehen zu lassen.
In den vergangenen Jahren gab es einige Änderungen an der Show, wie beispielsweise die Kürzung von Songs oder die dramaturgisch äußerst gelungene Verlegung des Alfred-Solos „Für Sarah“. Auch das Bühnenbild ist über die Jahre wesentlich schlanker geworden. So fährt die Wendeltreppe im Schloss des Grafen von Krolock schon sehr lange nicht mehr pompös aus der Unterbühne hervor, sondern schiebt sich von der Seitenbühne in die Szene. Auch das Wirtshaus von Chagal ist offener gestaltet als in der Urversion, kann sich dafür aber um die eigene Achse drehen.
Den größten Abstrich muss man allerdings leider und ausgerechnet beim Orchester machen. Ohne ein großes Streicherensemble, ohne den voluminösen Klang eines großen Orchesters, wie man ihn zum Beispiel noch bei „Tanz der Vampire“ in Wien hören konnte, verpuffen die starken Melodien von Jim Steinman – eine gelungene Mischung aus hartem Rocksound und schwelgerischen Balladen – immer wieder. Aber so ist das eben, wenn Violinen durch Keyboards ersetzt und selbst die Drumlines teilweise nur digital zugespielt werden.
Dafür kann immerhin die Cast punkten: Rob Fowler überzeugt in der Darstellung des Grafen von Krolock, weil er nach außen hin zwar stark wirkt, aber eigentlich ein zutiefst gebrochener Mann ist. Gesanglich begeistert Fowler besonders mit seinem sehr emotional dargebotenen Solo „Die unstillbare Gier“, wo er die Zerrissenheit von Krolocks perfekt über die Rampe bringt. Doch auch die Songs „Gott ist tot“ und „Einladung zum Ball“ meistert er mit seinem kräftigen Rocktenor und einer starken Bühnenpräsenz.
Ihm zur Seite steht Kristin Backes als Sarah, die ein zerbrechliches aber abenteuerlustiges Mädchen spielt, was sie schauspielerisch authentisch vermittelt. Außerdem setzt sie gesanglich einige Glanzpunkte. Vincent van Gorp gibt schauspielerisch einen herrlich jugendlichen Alfred, harmoniert stimmlich im Duett sehr gut mit Backes und bietet sein Solo „Für Sarah“ bis in die höchsten Lagen perfekt dar. Sein Zusammenspiel mit Till Jochheim ist ebenso hervorragend. Letzterer spielt den schrulligen Professor Abronsius mit perfektem Timing und sorgt für zahlreiche Lacher, kann im Song „Wahrheit“ außerdem mit seiner hohen Kopfstimme punkten.
Oleg Krasovitskii mimt Chagal glaubwürdig und solide sowie mit komödiantischem Talent („Ich bin ein jüdischer Vampir“), Anja Backus als Magda fesselt mit ihrer starken Intonation des Songs „Tot zu sein ist komisch“ und Jonas Steppe gibt als Herbert einen hervorragenden Grafensohn, der für etliche Lacher sorgt. Buchbedingt kann Carina Nopp als Rebecca zwar nicht ihr volles Potenzial zeigen, gefällt aber in der kleinen Rolle gut, während Alexander Ruttig als Koukol eine körperlich wie mimisch mehr als starke Leistung zeigt. Positiv hervorzuheben ist zudem das Tanzensemble, das in „Carpe Noctem“ und der „Rote Stiefel“-Sequenz (Choreografie: Dennis Callahan) zu begeistern weiß.
Insgesamt betrachtet, ist „Tanz der Vampire“ nach wie vor ein handwerklich gut gemachtes Musical. Zwar kann sich das Buch nicht entscheiden, ob es sich um ein Drama oder eine Parodie handelt, aber die Musik von Jim Steinman ist großartig zeitlos, die Texte von Michael Kunze sind auf den Punkt, die Charaktere wurden zum Großteil stark ausgearbeitet und die visuelle Umsetzung beeindruckt. Wenn es doch bloß nicht an dem kleinen Orchester scheitern würde!
Text: Dominik Lapp