Restart: Konzert „Auftakt!“ und Schauspiel „Bin nebenan“ in Münster
Das Theater Münster wagt einen soften Restart in der Corona-Krise, darf aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln jedoch nicht mal mehr 100 Zuschauer ins Haus lassen. Nichtsdestotrotz wurde kurzerhand ein zweiwöchiges Ersatzprogramm mit Konzerten und Schauspiel für die abgesagte Spielzeit aufgelegt. Im ersten von mehreren „Auftakt!“-Konzerten kommen Werke von Benjamin Britten und Antonin Dvorák zu Gehör, im Schauspiel „Bin nebenan“, einer Komödie von Ingrid Lausund, werden Monologe vorgetragen.
„Vor dem Hintergrund der Dramatik der letzten Monate erscheinen die Konzerte wie ein Wunder“, wird Generalmusikdirektor Golo Berg im Konzertprogrammheft zitiert. Und ja, es gleicht tatsächlich einem Wunder, endlich wieder live gespielte Musik hören zu dürfen. Die 18-minütige Simple Symphony von Benjamin Britten spielt das Sinfonieorchester Münster frisch und charmant. Das Werk überzeugt wegen seiner unbekümmerten Verspieltheit, beginnt mit einer Art Fanfarenstoß und klingt trotzdem elegant. Es gibt rasche Wechsel und Überlagerungen der Instrumente, im Trio jedoch verfestigen sich die Strukturen, wenn zu kräftigen Begleitakkorden ein schottisch anmutendes Thema erklingt.
Bei der Serenade für Streichorchester von Antonin Dvorák wird die unbändige Heimatliebe des Komponisten nur allzu deutlich. Das Stück steckt voller böhmischer Melodien, die durch die Streicher des Sinfonieorchesters eine wunderbare Wärme und Ausstrahlung erhalten. Über weite Strecken bringen die Musiker die Serenade zum Leuchten, bis es im Walzer des zweiten Satzes melancholischer wird. Mit einem Kehraus im Presto endet die Serenade schließlich in bester Stimmung und das Publikum honoriert die fantastische Leistung des Orchesters mit reichlich Applaus.
In der Komödie „Bin nebenan“ von Ingrid Lausund begeistern Mitglieder des Schauspielensembles in Monologen, deren Auswahl zwischen den Vorstellungen variiert. Lausunds Figuren veräußern ihre maßlose Überforderung mit der Gegenwart. Dabei bewegen sie sich zwischen wilder Freude und Nervenzusammenbruch, zwischen Esstisch und Bett, zwischen Grundstück und Globus. In jedem der Monologe offenbart sich in der Inszenierung von Sandra Bezler und Michael Letmathe eine Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen und menschlicher Nähe.
Regine Andratschke, Sandra Schreiber, Louis Nitsche, Lea Ostrovskiy und Paul Maximilian Schulze machen sich ihre jeweiligen Figuren ganz exzellent zu eigen. Regine Andratschke sitzt in ihrem weißen Strickkleid allein auf der Bühne und mimt eine Frau, die zu Hause in ihrer Wohnung ist und über eine Weltreise sinniert. Dabei spiegelt sie hervorragend wider, wie wir alle durch die Corona-Kontaktbeschränkungen noch vor ein paar Wochen allein zu Hause waren.
Sandra Schreiber hingegen gibt in ihrem Abendkleid eine gut situierte Dame, die von ihren Erfahrungen mit der türkischen Reinigungskraft erzählt und sich dabei zwischen Rassismus und Vorurteilen bewegt. Louis Nitsche überzeugt als einsamer Mann. Als Mann mit einer Wohnung, einem Beruf, der Vorräte unter seinem Bett sammelt. Lea Ostrovskiy präsentiert anschließend den Monolog einer Künstlerin, bevor Paul Maximilian Schulze mit Engelsflügeln die passende Grabstelle für das Leben nach dem Tod sucht. Am Ende gibt es für die fünf Monologe keinen frenetischen, aber doch wohlwollenden Applaus.
Text: Dominik Lapp