
Wenn der Name Programm ist: „This is the greatest Show“ auf Tour
Angelehnt an den Film „The Greatest Showman“ aus dem Jahr 2018 mit Hugh Jackman als P. T. Barnum in der Hauptrolle, zählt „This is the greatest Show“ seit Jahren zu den erfolgreichsten Konzertformaten in der deutschsprachigen Musicalszene. Das Erfolgsrezept hierfür ist einfach und genial: Man nehme eine erstklassige Auswahl an stimmgewaltigen, namhaften Solistinnen und Solisten, dazu ein talentiertes Ensemble, eine Handvoll herausragender Musiker sowie zahlreiche kreative Köpfe voller innovativer Ideen und vermische dies alles mit einem ausgefeilten, bewährten und doch stets neu angepassten und sich weiterentwickelnden Konzept. Auch in diesem Frühling schickt Sound-of-Music-Produzent Andreas Luketa sein erfolgreiches Programm auf Tour und entführt mit Yara Hassan (Regie und Choreografie) unter der Musikalischen Leitung von Florian Bölker das Publikum für einen Abend in eine Traumwelt voller Glitzer und Glamour. Spot on!
Von null auf hundert und mit einem Raunen im Publikum beginnt der Abend, als die ersten Töne des Songs „This is the greatest Show“ erklingen. Die Solistinnen und Solisten Jan Ammann, Mark Seibert, Michaela Schober, Karolin Konert, Thomas Hohler, Verena Mackenberg und Daniel Schuhmacher erscheinen aus dem Nichts im Spotlight, erfassen präzise die unverkennbaren Melodien des Filmerfolgs und übertragen deren Energie gekonnt von Sekunde eins auf das Publikum im Saal. Die Bühne überrascht in diesem Jahr mit neuem Design, so dass sich nun mittig drei halboffene Bögen befinden, die mit Projektionen bespielt werden und durch ein maßgeschneidertes Lichtkonzept (Maximilian Kundmüller, Florian Schmitt) gestaltet sind. Florian Bölker und seine Band sitzen seitlich rechts und links erhöht auf kleinen, ebenfalls illuminierten Würfeln, so dass sich ein rundes, gelungenes Gesamtbild erschließt. Stets on point und perfekt abgestimmt (Sounddesign: Markus Danne) fungieren die Musiker als wichtigster Bühnenpartner der Cast und platzieren ihr Handwerk als unumstrittenen Mittelpunkt der Show. Über allem schweben Lichterketten, die in der Mitte spitz zulaufen – als Anlehnung an Barnums berühmten Zirkus voller Kuriositäten und Attraktionen.
Bei einer Konzerttournee in solch einem Ausmaß müssen Planung, Ausstattung (Kostüm: Sonja Kühn) und Regieführung auf den Punkt genau erfolgen. Dies ist definitiv geglückt: Alle Auf- und Abgänge sind präzise, die Choreografien Yara Hassans wirken rund, ausgefeilt und eingespielt. Das Programm unter der Federführung Luketas ist bekannt für eine stets vielversprechende Songauswahl, und so erhält man die schönsten Musicalnummern – egal ob Klassiker oder Neuheiten aus dem europäischen Raum – auf dem Silbertablett präsentiert. Mark Seibert führt und moderiert charmant und souverän durch den Abend, wobei er auch den einen oder anderen Scherz im eng getakteten Ablaufplan nicht auslässt. Das Publikum hat er schnell auf seiner Seite – der Saal kocht. Ein rundum gelungener Auftakt!

Nach dem gemeinsamen Opening eröffnen Karolin Konert und Verena Mackenberg – Letztere aus dem Off – mit einem zarten, traumhaft schönen „Fireworks“ aus „Moulin Rouge“ die Reise durch die glitzernde Traumfabrik. Eines der ersten Highlights direkt zu Beginn ist die Nummer „Gabriellas Song“ aus dem schwedischen Musical „Wie im Himmel“. Hierzulande eher unbekannt und von Michaela Schober eindrucksvoll zum Leben erweckt – so, dass sich direkt die erste Gänsehaut bemerkbar macht. Mark Seibert verleiht „Hurricane“ aus Frank Wildhorns „Death Note“ auf ergreifende, fesselnde Art und Weise Tiefe und Gefühl, Jan Ammann treibt gewohnt stimmgewaltig sein Unwesen als Phantom und entfaltet hierbei seine ganze Ausdruckskraft, wohingegen Verena Mackenberg sich in einer spannenden, gesanglich und schauspielerisch mehr als beeindruckenden Version von „Life is a Cabaret“ zeigt, als sie sich mit ihrer Interpretation des Berlin-Klassikers irgendwo am Rande des Wahnsinns bewegt.
Thomas Hohler bringt mit einem nachdrücklich gesungenen „Coming Home“ die Figur des Falco aus „Rock me Amadeus“ auf die deutsche Bühne und kreiert somit Wiener Flair. Jan Ammann, Arvid Assarsson, Florian Heinke und Mark Seibert ernten bei „Man in the Mirror“ aus „MJ“ Zwischenjubel und begeisterte Pfiffe, und auch der „Wicked“-Dauerbrenner „Frei und schwerelos“ weiß durch Verena Mackenberg, Melina Hendel, Esther-Larissa Lach und Michaela Schober vierstimmig zu gefallen. Überhaupt sorgen kreative Arrangements dafür, dass bekannte, bereits oft gehörte Musicalsongs ein frisches, vielleicht nie zuvor dagewesenes Gewand erhalten. Auch die Mischung aus Altvertrautem und neueren, unbekannteren Nummern – oftmals halbszenisch inszeniert – tut der Songabfolge gut, so dass einmalige Konzertbesuchende sowie jahrelange Fans gleichsam bedient und abgeholt werden. Daniel Schuhmacher, DSDS-Sieger von 2009, ist in diesem Jahr Special Guest und gibt in der Star-Riege sein Musicaldebüt. Natürlich darf hierbei sein Gewinnersong der Castingshow nicht fehlen: „Anything but Love“, gemeinsam mit Michaela Schober im Duett, ist nachdrücklich und stimmgewaltig.
Doch die strahlenden Solistinnen und Solisten wären nichts ohne ihre wunderbaren Showman-Singers, die sie – entweder auf der Bühne oder aus dem Background – umgarnen und formen und dabei in vielerlei Hinsicht gesanglich sowie tänzerisch verstärken, bereichern und ergänzen. Ganz besonders hervorzuheben am Ende des ersten Teils ist die Darbietung mehrerer Songs des britischen Pub-Musicals „The Choir of Man“, als ein Großteil der Cast mit Biergläsern und Holzfällerhemden auf der Bühne steht und ausnahmslos zum Stimmungsmacher mutiert. Das macht definitiv neugierig auf eine Produktion, die auch die eingefleischten Fans neu abholen dürfte.

Der zweite Teil beginnt mit einem Knall, als die Bois-Band aus „& Julia“ mit den Nummern „Larger than Life“, „Everybody“ und „It’s My Life“ dem Publikum so richtig schön einheizt. Im Anschluss führen der Levay-und-Kunze-Block sowie ein Disney-Medley zuverlässig durch all die gern gesehenen Klassiker. Besonders gelungen beschert hier die vierstimmige Interpretation von „Die Schatten werden länger“ aus „Elisabeth“ Gänsehaut, als Mark Seibert und Jan Ammann in der Rolle des Todes einschüchternd und betörend um Arvid Assarsson und Robert D. Marx als Kronprinz Rudolf ihre Kreise ziehen, wie ein Tiger um seine Beute. Ebenfalls hervorzuheben ist Esther-Larissa Lachs Performance als Haushälterin Mrs. Danvers aus dem Musicalthriller „Rebecca“, als sie mit ihrer außergewöhnlich kräftigen und schönen Stimme und einem durchdringenden, bohrenden Blick der „Ich“ (Michaela Schober) und dem Publikum das Fürchten lehrt. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit beherrscht sie die Bühne und demonstriert ohne Zweifel, wer hier die Herrin im Hause ist – Gänsehaut pur! Thomas Hohler zeigt, wie schauspielerisch wandelbar er sein kann, und gibt sich gesanglich äußerst überzeugend als Wolfgang Amadeus Mozart in „Ich bin Musik“ aus „Mozart!“. Verena Mackenberg schlüpft mit „Das bin ich“ in ihre Paraderolle der „Päpstin“ und beeindruckt anschließend gemeinsam mit Karolin Konert, Michaela Schober und Froukje Zuidema durch ein vierstimmiges „Ich gehör nur mir“ – das weltberühmte Leiblied der unglücklichen österreichischen Kaiserin. Der wohlbekannte, stets gefeierte Disney-Teil darf im Anschluss natürlich nicht fehlen und überrascht mit einem liebevollen Medley aus „Die Schöne und das Biest“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Hercules“, „Die Eiskönigin“ und „Aladdin“.
Das große Highlight bei „This is the greatest Show“ ist aber ohne Zweifel der „Greatest Showman“-Block am Ende des zweiten Akts, der mit Sicherheit schon Kultstatus genießt. Energie, Bühnenpräsenz und starke Stimmen vereinen sich hier zu einem fantastischen Feuerwerk. Geschickt reihen sich die Songs des Kino-Welterfolgs in chronologischer Art und Weise aneinander und entführen das Publikum – teilweise in halbszenischen Darbietungen – in Barnums Welt voller Träume. Jan Ammann gelingt die Adaption des Filmprotagonisten im Zusammenspiel mit Verena Mackenberg als Ehefrau auf ganzer Linie, Florian Heinke und Melina Hendel berühren in „A Million Dreams“ als deren jüngere Ichs. Thomas Hohler und Froukje Zuidema kreieren ein wunderschönes „Rewrite the Stars“, das Sergey Mishchurenko als Tänzer in ihrer Mitte sensationell unterstreicht, und Michaela Schober schafft mit ihrer Interpretation von „This is me“ in der Rolle der Lettie Lutz einen Paukenschlag – ihre Bühnenpräsenz und stimmliche Darbietung sind hierbei sondergleichen. Als Opernstar Jenny Lind sorgt Karolin Konert mit „Never enough“ für einen absolut magischen Höhepunkt kurz vor Schluss, als alle Augen – im Publikum und auf der Bühne – sowie jegliche Scheinwerfer auf sie gerichtet sind und die Cast im Freeze erstarrt. Der Saal gehört in diesem Moment nur ihr, und sie singt, spürt und lebt den Song mit jeder Faser ihres Körpers – zurecht erntet sie frenetischen Applaus.
Der Block und die Show schließen wie gewohnt ab mit „This is the greatest Show“ – ein wahrhaftiges Feuerwerk voller Stimmgewalt explodiert und zeigt mal wieder, warum diese Konzertreihe absoluten Kultstatus genießt. Am Ende hält es im ausverkauften Saal niemanden mehr auf den Sitzen – der Name ist eben auch in diesem Jahr Programm.
Text: Katharina Karsunke