„Wicked“ im Kino (Foto: Universal Pictures)
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Meisterhafte Verfilmung: „Wicked“ im Kino

Die Verfilmung des legendären Broadway-Musicals „Wicked“ ist ein cineastisches Ereignis, das Fans auf der ganzen Welt seit Jahren herbeigesehnt haben. Bereits lange vor Drehbeginn angekündigt, wurde das Projekt immer wieder verschoben. Nun ist der erste Teil endlich in den Kinos zu sehen, in Szene gesetzt von Regisseur John M. Chu, der sich bereits mit der Verfilmung des Musicals „In the Heights“ einen Namen gemacht hat. Die Geschichte ist eine Mischung aus Coming-of-Age-, Fantasy- und Musicalfilm und konzentriert sich auf den ersten Akt des Musicals, erweitert diesen aber um zahlreiche neue Szenen und Handlungsstränge, die die Welt von Oz noch lebendiger machen.

Während der Film in den USA und einigen europäischen Ländern bereits am 22. November 2024 Premiere feierte, mussten sich die deutschen Fans bis zum 12. Dezember gedulden. Um die Verwirrung zu steigern, fanden in Deutschland aber schon ab dem 4. Dezember Previews statt, die in manchen Kinos als sogenannte „Ladies Night“ nur Frauen vorbehalten waren, während andere Kinos den Film bereits am Wochenende vor dem offiziellen Starttermin zeigten. Eine weitere Besonderheit des deutschen Kinostarts ist, dass der Film hierzulande in drei verschiedenen Sprachversionen angeboten wird: komplett auf Englisch, vollständig auf Deutsch (mit den Gesangsstimmen von Sabrina Weckerlin als Elphaba, Sophia Riedl als Glinda und Philipp Büttner als Fiyero) sowie in einer gemischten Version mit deutschen Dialogen und englischen Songs, die mit deutschen Untertiteln versehen sind. Diese Rezension bezieht sich auf die englische Version des Films.

„Wicked“ im Kino (Foto: Universal Pictures)

John M. Chu hat es geschafft, die Magie der Bühnenvorlage auf beeindruckende Weise einzufangen, während er der Geschichte eine zusätzliche filmische Dimension verleiht. Der erste Teil des Films ist 160 Minuten lang, obwohl der erste Akt des Musicals selbst nur etwa 90 Minuten umfasst. Die zusätzlichen Minuten werden genutzt, um Charaktere und ihre Beziehungen zueinander intensiver auszuarbeiten und neue Handlungsstränge einzufügen, die die Welt von Oz bereichern. So erfährt das Publikum beispielsweise mehr über die schwere Kindheit von Elphaba und ihre Beziehung zu ihrer Schwester Nessarose, über ihre privaten Unterrichtsstunden bei Madame Morrible und die Erfahrungen als Außenseiterin, die wegen ihrer grünen Haut von den Kindern in Munchkinland verspottet wird. Darüber hinaus trifft Elphaba nicht erst in der Shiz-Universität auf Fiyero, sondern begegnet ihm bereits vorher in einem Wald, den er auf einem Pferd durchquert.

Die Verfilmung führt auch neue Charaktere ein, darunter Dulcibear, eine CGI-animierte Bärin als Elphabas Nanny aus ihrer Kindheit, sowie Miss Coddle, die Shiz-Leiterin. Glindas Eltern, die sie zur Uni bringen, sind ebenfalls neu und tragen dazu bei, Glindas Herkunft und Persönlichkeit noch klarer zu zeichnen. Einige bestehende Charaktere wurden zudem für die Verfilmung überarbeitet, und als Hommage an den Film „Der Zauberer von Oz“ sind in der Anfangssequenz Dorothy, der Blechmann, die Vogelscheuche und der ängstliche Löwe auf der gelben Ziegelsteinstraße zu sehen.

Die Musik von Stephen Schwartz, die seit der Broadway-Premiere 2003 weltweit begeistert, erklingt in frischen Arrangements und wird von einem neuen Score von John Powell ergänzt, der geschickt Zitate aus den Originalsongs verwendet, um die Dialogszenen musikalisch zu untermalen. Einige der bekanntesten Lieder wurden für die Verfilmung erweitert oder neu interpretiert. So enthält „Popular“ zusätzliche Tonartwechsel und vokale Variationen, während „One Short Day“ durch eine neue Szene in der Smaragdstadt ergänzt wurde, in der die Emerald City Players eine Aufführung von „Wiz-O-Mania“ zeigen und so mehr Hintergrundgeschichte über den Zauberer und das Grimmerie liefern. Auch „Dancing Through Life“ wurde verändert und spielt jetzt in der rotierenden Bibliothek der Universität. Der Ozdust-Ballsaal wird jetzt als Nachtclub in der Unterwelt von Oz dargestellt wird.

„Wicked“ im Kino (Foto: Universal Pictures)

Die schauspielerischen und gesanglichen Leistungen in dem Film sind durchweg brillant. Cynthia Erivo verleiht Elphaba eine außergewöhnliche emotionale Authentizität und liefert eine stimmliche Glanzleistung ab, während Ariana Grande als Glinda mit ihrem Charme und ihrer gesanglichen Brillanz begeistert. Jeff Goldblum überzeugt als charismatischer Zauberer von Oz, Michelle Yeoh verleiht der manipulativen Madame Morrible (in der deutschen Version: Madame Akaber) eine starke Präsenz und Peter Dinklage bringt mit seiner Synchronisation des CGI-animierten Dr. Dillamond eine gewisse Wärme in die Geschichte. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, darunter Jonathan Bailey als Fiyero, Ethan Slater als Boq (deutsch: Moq) und Marissa Bode, die als Nessarose eine berührende Darstellung liefert.

Visuell ist der Film ein echtes Spektakel. Die Sets sind aufwändig und mit einer solchen Liebe zum Detail gestaltet, dass die Welt von Oz lebendig wirkt. Obwohl CGI für Elemente wie die fliegenden Affen oder den animierten Dr. Dillamond eingesetzt wird, wurden erfreulicherweise viele Szenenbilder tatsächlich gebaut, was dem Film eine greifbare Atmosphäre verleiht. Besonders beeindruckend ist die Umsetzung der Sequenz „Defying Gravity“, die den ersten Film mit einem atemberaubenden Finale und einem Cliffhanger abschließt. Die Szene, in der Elphaba hoch in den Himmel steigt, begleitet von grünen Blitzen, ist eine Hommage an die Bühnenshow.

Doch die Verfilmung von „Wicked“ ist mehr als nur eine gelungene Adaption des Musicals. Sie bewahrt die Magie und Emotionalität der Vorlage, erweitert sie jedoch um eine filmische Dimension, die selbst eingefleischte Fans überraschen und begeistern wird. Mit herausragenden schauspielerischen und musikalischen Leistungen sowie einer beeindruckenden visuellen Gestaltung legt der erste Teil die Messlatte für den zweiten Teil sehr hoch. Die Vorfreude auf den zweiten Film, der unter dem Titel „Wicked: For Good“ im November 2025 in die Kinos kommt und dann den zweiten Akt des Musicals thematisieren wird, ist deshalb ungeahnt groß.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".