„Wie im Himmel“ in Osnabrück (Foto: Kai Lünnemann)
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Musikalischer Höhenflug voller Emotionen: „Wie im Himmel“ in Osnabrück

Mit „Wie im Himmel“ bringt das Theater Osnabrück ein bewegendes Musical von Kay Pollak (Buch), Fredrik Kempe (Musik und Songtexte) und Carin Pollak (Buch und Songtexte) auf die Bühne, das auf dem gleichnamigen schwedischen Film basiert. Unter der Regie von Ansgar Weigner entfaltet sich die Geschichte (Übersetzung: Gabriele Haefs und Roman Hinze) um den Stardirigenten Daniel Daréus, der nach einem Herzinfarkt in sein schwedisches Heimatdorf zurückkehrt und dort den örtlichen Kirchenchor übernimmt. Was als einfacher musikalischer Neuanfang gedacht war, entwickelt sich schnell zu einer Reise voller menschlicher Höhen und Tiefen.

Weigner gelingt nach „Singin‘ in the Rain“, „Titanic“ und „Tootsie“ mit „Wie im Himmel“ seine bisher stärkste Musicalinszenierung am Theater Osnabrück. Besonders die intensive Figurenzeichnung überzeugt, jede Emotion sitzt. Der Spannungsbogen bleibt über drei Stunden hinweg erhalten, auch wenn das Finale – mit dem Bürgerchor (Einstudierung: Kai Lünnemann), der im Zuschauerraum singt – etwas zu pathetisch ausfällt. Zudem wirkt die plötzliche Vergrößerung des Chores dramaturgisch wenig nachvollziehbar. Ein besonderes Highlight ist die Einbindung der Kindheits- und Jugendjahre von Daréus. Immer wieder taucht der 14-jährige Daniel mit seiner Fidel in den Szenen des erwachsenen Dirigenten auf und gibt so tiefe Einblicke in die prägenden Erlebnisse des Protagonisten.

Das Bühnenbild von Darko Petrovic setzt auf eine offene schwarze Bühne mit gezielten Versatzstücken: Kirchenfenster, überdimensionale Mohnblumen, wenige Möbelstücke. Während der erste Akt in eine verschneite Winterlandschaft getaucht ist, erstrahlt der zweite Akt in sommerlicher Blumenpracht. Die Kostüme in Weiß- und Beigetönen unterstreichen die schwedische Atmosphäre der Dorfgemeinschaft, während Daniel Daréus mit seinem roten Pullover bewusst als Fremder aus der Masse heraussticht. Aber auch das gelungene Lichtdesign von Ingo Jooß trägt entscheidend zur Atmosphäre der Szenen bei.

„Wie im Himmel“ in Osnabrück (Foto: Kai Lünnemann)

Da das Stück kaum klassische Tanzszenen bietet, bleibt die Choreografie von Sabrina Stein eher zurückhaltend, fügt sich aber harmonisch in das Gesamtbild ein. Besonders bemerkenswert ist die Kampfchoreografie von Fabian Broermann, die sich durch eine beeindruckende Authentizität auszeichnet.

Musikalisch glänzt die Inszenierung auf ganzer Linie. Unter der Leitung von An-Hoon Song bringt das Osnabrücker Symphonieorchester die starke, melodische Partitur von Fredrik Kempe zum Leuchten. Die Musik schöpft stellenweise aus skandinavischer Volksmusik und verbindet diese mit Chormusik, Pop-Elementen und klassischen Balladen. Besonders die mehrstimmigen Chorpassagen (Einstudierung: Sierd Quarré, Kinderchor: Markus Lafleur) schaffen eine berührende Klangwelt. „Gabriellas Song“, der bereits im Film eine zentrale Bedeutung hatte, bleibt auch hier einer der musikalischen Höhepunkte und sorgt im Finale des ersten Akts für einen Gänsehautmoment. An-Hoon Song dirigiert mit Verve und unglaublicher Hingabe – selten klang das Osnabrücker Orchester in einer Musicalaufführung so lebendig und nuanciert wie bei „Wie im Himmel“.

Eine besondere Herausforderung am Premierenabend stellt die krankheitsbedingte Einschränkung von Hauptdarsteller Jan Friedrich Eggers dar, der zwar exzellent spielen und sprechen, jedoch nicht singen kann. Kurzerhand wird Christian Fröhlich vom Landestheater Linz engagiert, der die Gesangsparts übernimmt. Mit beeindruckender Präzision singt er am Bühnenrand, während Eggers die Lippen synchron dazu bewegt – eine Notlösung, die sehr gut funktioniert. Dass Fröhlich ein hervorragender Einspringer ist, hat er bereits am Theater Regensburg bewiesen, wo er 2023 die Hauptrolle des Musicals „Parade“ in Rekordzeit einstudierte. In Osnabrück erweist er sich einmal mehr als herausragender Sänger, der mit seiner Stimme große Emotionen transportiert. Das Publikum honoriert diese außergewöhnliche Leistung mit tosendem Applaus.

„Wie im Himmel“ in Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)

Das Ensemble überzeugt insgesamt mit starken Leistungen. Susanna Edelmann berührt als Lena mit warmer Stimme und großem Ausdruck. Hans Gröning gibt den Pastor Stig Berggren mit charismatischer Strenge, während Susanna Panzner als seine Frau Inger für subtile Zwischentöne sorgt. Inga Krischke als Gabriella liefert einen der bewegendsten Momente des Abends mit ihrer Interpretation von „Gabriellas Song“. Zudem leistet sie schauspielerisch Großartiges, da ihre Bühnenfigur unter häuslicher Gewalt leidet.

André Lassen als Gabriellas gewalttätiger Ehemann Conny, Daniel Preis als Arne und Michael Berres als Tore vervollständigen das Bild einer glaubhaften Dorfgemeinschaft mit Bravour. Ebenfalls hervorzuheben sind die jungen Darsteller Felix Cichon als 7-jährger Daniel und Andrija Wonnemann als 14-jähriger Daniel, die die Vergangenheit des Stardirigenten mit großer Sensibilität darstellen.

Insgesamt bietet „Wie im Himmel“ am Theater Osnabrück einen bewegenden, musikalisch erstklassigen Abend. Die Inszenierung überzeugt mit einer klugen Personenführung, einer packenden musikalischen Umsetzung und einem Ensemble, das mit Herzblut spielt und singt. Trotz des leicht überladenen Finales bleibt das Musical in erster Linie ein berührendes Plädoyer für Gemeinschaft, Musik und die heilende Kraft des Singens. Ein Muss für alle, die großes Drama mögen, und eine der besten Musicalproduktionen, die das Theater Osnabrück in den letzten Jahren auf die Bühne gebracht hat.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".