Konzert in Wohnzimmer-Atmosphäre: Willemijn Verkaik in Amsterdam
Anfang des Jahres war Willemijn Verkaik eine viel beschäftigte Künstlerin. Sie spielte die Rolle der Miss Hannigan in der niederländischen Tourproduktion des Musicals „Annie“, flog nach Los Angeles, um dort bei der Oscar-Verleihung zu singen und bereitete sich auf ihre neue Rolle im Musical „Waitress“ vor. Doch dann breitete sich die Corona-Pandemie aus, es kam zum Shutdown, Produktionen wurden abgesagt oder verschoben – die Künstlerin war arbeitslos. Jetzt meldet sich die international erfolgreiche Musicaldarstellerin zurück und steht wieder allabendlich auf der Bühne.
Im Amsterdamer DeLaMar Theater, wo sie unter anderem schon 2015 ein Solokonzert gegeben hat, tritt sie zwei Wochen lang auf, gibt zwei Konzerte pro Abend, die alle restlos ausverkauft sind. Denn bei jedem Konzert dürfen aufgrund der Corona-Abstandsregeln nur etwas mehr als 200 Personen dabei sein, die Tickets waren entsprechend schnell vergriffen. Wer eines ergattern konnte, darf sich glücklich schätzen, bei diesem intimen Konzert in wohliger Wohnzimmer-Atmosphäre dabei sein zu können.
Bei den zahlreichen Rollen, die Willemijn Verkaik bislang spielte, hätte dieses Konzert ein großer Best-of-Abend werden können, bei dem sie all die großen Musicalhits zum Besten gibt, die ihre Fans sicher gern von ihr gehört hätten. Doch Verkaik geht keinesfalls diesen einfachen Weg, sondern überrascht das Publikum mit einer frischen, neuen Songauswahl, die gar nicht mal so viele Musicalnummern beinhaltet. Begleitet wird sie dabei von Mark Kuypers am Flügel und ihrem Ehemann Bart van Hoof, der sich als Multi-Instrumentalist erweist, da er nicht nur verschiedene Blasinstrumente wie Saxophon und Flöte spielt, sondern auch Glockenspiel und Cachon, eine Sitztrommel.
Im Theatersaal herrscht von Anfang an eine wunderbare Atmosphäre. Jede zweite Reihe wurde entfernt, der neu gewonnene Platz mit kleinen Glastischen und Blumen ausgefüllt. Auf der leeren schwarzen Bühne steht ein Hocker im weißen Scheinwerferkegel, die restliche Bühne ist in lila Licht getaucht, einige LED-Leisten beschränken die Auftrittsfläche. Was folgt, sind 60 Minuten feinster Musikgenuss mit drei Ausnahmekünstlern.
Die ersten Songs singt Willemijn Verkaik sitzend, greift bei einer Nummer auch mal selber zur Gitarre und bringt die weiteren Songs dann stehend zu Gehör. Dabei ist sie immer ganz nah an ihrem Publikum, überzeugt nicht nur gesanglich, sondern auch mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und ihrer offenen, witzigen und kommunikativen Art. Herrlich sind zudem die Dialoge zwischen ihr und ihrem Ehemann, vor allem als Bart van Hoof gesteht, dass er ihren Oscar-Auftritt nicht gesehen hat, weil er vor dem Fernseher eingeschlafen ist.
Zwischen den Musiknummern erzählt Verkaik, die ihren Konzertabend unter den Titel „And now“ gestellt hat, wie sie den Corona-Shutdown erlebte. Sie berichtet, wie sie innerhalb kürzester Zeit eine Vorstellung von „Annie“ im niederländischen Zwolle gespielt, dann für einen Auftritt zur Oscar-Verleihung nach Los Angeles und schließlich für einen Besuch bei „Waitress“ nach London geflogen ist. Doch dann kam der Shutdown. „Und plötzlich war ich zu Hause, es hatte mich kalt erwischt. Ich habe viel geschlafen und mich erholt, war aber irgendwann auch sehr mürrisch und habe mich gefragt: Und jetzt?“ So kam der Titel für ihr Konzertprogramm zustande, das auf Initiative des DeLaMar Theaters ins Leben gerufen wurde.
Auf der Setliste an diesem Abend stehen niederländische Songs wie Wim Sonnevelds „Het dorp“ oder „Aan een klein meisje“ aus „Annie M.G. Schmidt“ genauso wie englische Lieder wie „She used to be mine“ aus „Waitress“ oder „Close to you“. In allen Nummern überzeugt Willemijn Verkaik mit facettenreicher Stimme, grandioser Textinterpretation und starker Bühnenpräsenz.
Mit „Into the unknown“ hat sie außerdem den bekannten Song aus dem Film „Frozen II“ dabei, den sie zusammen mit anderen internationalen Elsa-Sängerinnen bei der Oscar-Verleihung gesungen hat. Weil Willemijn Verkaik die Rolle der Elsa sowohl in der niederländischen als auch in der deutschen Synchronfassung sang, überrascht sie ihr Publikum in Amsterdam sogleich mit einer dreisprachigen Interpretation, bei der sie stimmliche Höchstleistungen vollbringt. Absolut verdient, dankt das Publikum am Ende mit stehenden Ovationen für diesen ganz besonderen Konzertabend.
Text: Dominik Lapp