TV-Musicalgala in Corona-Zeiten: „Wir spielen für Österreich“ in Wien
Die Kulturlandschaft Wiens lebt auch in Corona-Zeiten. Weil die Theater nach wie vor geschlossen sind, haben die Vereinigten Bühnen Wien mit dem TV-Sender ORF III eine Musicalgala mit dem Titel „Wir spielen für Österreich“ organisiert, die zunächst nur im österreichischen und zwei Wochen später auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Alle Termine zur Organisation des Konzerts fanden laut Veranstalter unter Einhaltung strengster Sicherheitsvorgaben sowie medizinischer Gesundheitskontrollen statt. Während sechs Musicalkünstler live vor Ort sangen, wurden drei weitere Künstler per Video zugespielt.
Aufgezeichnet wurde das Konzert leider nicht in einem Theater der Vereinigten Bühnen Wien. Das Raimund Theater wird zwar aktuell noch saniert, aber man hätte die Bühne des Ronachers oder des Theaters an der Wien nutzen können. Stattdessen wurde aus dem Großen Sendesaal im ORF RadioKulturhaus gesendet, der mit ein paar Kostümen aus den Musicals „Tanz der Vampire“, „Elisabeth“ und „Mozart!“, einem Vorhang und etwas Licht ausstaffiert wurde. Wirkliche Theaterstimmung wollte dabei aber nicht aufkommen.
Den Abend eröffnete Lukas Perman, der auch als Moderator durch den Abend führte, mit einer stimmigen Intonation des Songs „Ein bissel fürs Hirn und ein bissel fürs Herz“ aus „Mozart!“. Auf ihn folgte Carin Filipcic mit „Erinnerung“ aus „Cats“. Eindringlich und gefühlvoll interpretierte sie das Solo der verstoßenen Katzendiva, bevor ein Video von Oedo Kuipers eingespielt wurde, der im heimischen Wohnzimmer den Song „Warum kannst du mich nicht lieben?“ aus „Mozart!“ sang. Gesanglich einwandfrei, ließ Kuipers allerdings die Emotionen vermissen, wie er mit den Händen in den Hosentaschen den Song herunterspulte und dadurch die Wirkung der Nummer leider schmälerte.
Emotionaler wurde es hingegen durch Carin Filipcic‘ hervorragende Interpretation von „Gold von den Sternen“ aus „Mozart!“, worauf die fantastische Maya Hakvoort mit dem markerschütternd gut gesungenen Titelsong aus „Rebecca“ folgte, die später auch noch mit „Nichts, nichts, gar nichts“ aus „Elisabeth“ eine Spitzenleistung brachte. Als exzellenter Sänger und ausdrucksstarker Schauspieler bewies sich Drew Sarich, der mit dem Song „Kitsch“ aus dem Musical „Elisabeth“ auch ohne Kostüm keinen Zweifel daran ließ, dass er ein überzeugender Luigi Lucheni ist. Genauso überzeugend gelangen Sarich die Interpretationen von „Die unstillbare Gier“ aus „Tanz der Vampire“ und „Der letzte Tanz“ aus „Elisabeth“. Gerade bei letzterer Nummer variierte er seine Stimme wunderbar und lieferte eine frische Version dieses oft gehörten Songs.
Über „36 Häuser“ sang Thomas Borchert per Videoeinspielung aus dem heimischen Wohnzimmer. Bei dem Lied, das er im vergangenen Sommer allabendlich in Tecklenburg im Musical „Don Camillo & Peppone“ sang, begleitete er sich selbst am Klavier, was der Nummer noch mehr Intensität verlieh. Milica Jovanovic und Dominik Hees brachten mit „Du und ich auf einer Insel“ eine weitere Nummer aus „Don Camillo & Peppone“ zu Gehör, mit der sie noch genauso zu begeistern wussten wie im vergangenen Sommer. Eine starke Interpretation gelang ihnen außerdem mit „Liebe endet nie“ aus „Der Besuch der alten Dame“ und „Träum groß“ aus „Schikaneder“.
Zwischen den einzelnen Soli und Duetten wurden immer wieder Ausschnitte aus vergangenen VBW-Produktionen, zum Beispiel aus Südkorea, eingeblendet. Eine Videoeinspielung gab es außerdem aus einem Tonstudio, wo Mark Seibert – passend zur aktuellen Situation – das Lied „Letzter Vorhang“ aus „Schikander“ sang, das er noch genauso emotional interpretierte wie einst live auf der Bühne in Wien.
Mit einigen Songs aus „I am from Austria“ endete der Abend, dem leider ein wenig die Dynamik und die Qualität genommen wurde, weil die Musik nicht live war, sondern digital zugespielt wurde. Das mag vor dem aktuellen Hintergrund der Corona-Krise zwar verständlich sein, aber eine Live-Klavierbegleitung wäre die deutlich schönere Lösung gewesen. Eines ist bei dieser Konzertsendung mit dem Titel „Wir spielen für Österreich“ aber klargeworden: Musicals und Konzerte fehlen in der aktuellen Zeit und werden schmerzlich vermisst.
Text: Matilda Falke