Trashiger Spaß: „Xanadu” in Meppen
Wer bei der Kombination von Rollschuhen und Musical sofort an „Starlight Express“ denkt, wird im Emsland eines Besseren belehrt. Die Musicalmacher der Musikschule des Emslandes um die Regisseurin und Choreografin Julia Felthaus und den Musikalischen Leiter Jason Weaver haben im noch jungen Jahr 2020 mit „Xanadu“ nämlich auf ein Musical gesetzt, bei dem ebenfalls Rollschuhe eine Rolle spielen. An ihren Vorjahreserfolg „Zustände wie im alten Rom“ können die Emsländer im Theater Meppen damit auf jeden Fall anschließen.
Basierend auf einer Inszenierung von Iris Limbarth, die „Xanadu“ bereits 2012 für den Jugendclub des Staatstheaters Wiesbaden inszenierte, hat Julia Felthaus das Musical als das auf die Bühne gebracht, was es ist: ein großer trashiger Spaß. Die Regisseurin hat dabei gar nicht erst versucht, der hanebüchenen Story einen ernsten Touch zu verleihen. Vielmehr hat sie aus dem Buch von Douglas Carter Beane das Beste gemacht – und das dürfte nicht einfach gewesen sein. Schließlich ist der Film „Xanadu“ aus dem Jahr 1980 an den Kinokassen gnadenlos gefloppt, sein Regisseur wurde mit der Goldenen Himbeere für die schlechteste Regieleistung ausgezeichnet, und immer wieder taucht der Streifen in den Aufzählungen der schlechtesten Filme aller Zeiten auf.
Der Filmsoundtrack vom Electric Light Orchestra (ELO) hingegen gilt mit seiner siebenfachen Platinauszeichnung als eine der erfolgreichsten Filmmusiken weltweit. Auch das Musical (Musik und Songtexte: Jeff Lynne und John Farrar) lebt von der eingängigen Musik. Diese wird in Meppen von einer vierköpfigen Band unter der versierten Leitung von Jason Weaver eindrucksvoll zu Gehör gebracht. Weaver am E-Piano, Patrick Schütte an der Gitarre, Michael Bohn am Bass und Michael Schrant am Schlagzeug treffen den ELO-Sound punktgenau, wofür ihnen ein besonders großes Lob gebührt.
Was „Xanadu“ letztlich aber zu einem echten Vergnügen macht, ist die Umsetzung auf der Bühne. Hier hat es Julia Felthaus mit spritziger Choreografie und einem glücklichen Händchen für das perfekte Timing geschafft, dass keinerlei Langeweile aufkommt, jede Pointe sitzt und jeder Gag zündet. Zwar dauert es ein bisschen, bis sich die Zuschauer an die äußerst schrägen Charaktere gewöhnt haben, doch dann läuft’s.
Gesegnet ist die Regisseurin außerdem mit einem spielfreudigen Ensemble, das die Story erzählt, wie der erfolglose Straßenkünstler Sonny Malone von den zum Leben erweckten griechischen Musen aus einem seiner Bilder dabei unterstützt wird, eine Rollschuh-Disco zu eröffnen. Jörn Tallen – als einziges Ensemblemitglied ausgebildeter Musicaldarsteller – gelingt eine glaubhafte Rollenzeichnung von Sonny Malone, den er liebenswert tumb gibt. Auch stimmlich lässt er keine Wünsche offen.
Eine echte Entdeckung ist seine Bühnenpartnerin Jana Berentelg, die als Kira nicht nur ganz vortrefflich mit gewollt piepsiger Stimme, sondern auch mit einem hinreißenden australischen Akzent (ebenfalls gewollt) spricht. Aufhorchen lässt Berentelg außerdem gesanglich, weil sie sich mit ihrer genauso klaren wie warmen und dunkel timbrierten Stimme jeden Song zu eigen macht. Schauspielerisch beweist sie ebenso großes Talent und macht auch noch auf Rollschuhen eine gute Figur.
In seiner Doppelrolle als Bauunternehmer Danny Maguire und Göttervater Zeus gefällt Frank Hildebrandt schauspielerisch wie gesanglich, wohingegen sich Kerstin Röttgers und Marina Billek in den Rollen der hinterlistigen Schwestern Melpomene und Kalliope als Vollblut-Komödiantinnen erweisen. Das Publikum tobt geradezu, wenn sich Röttgers und Billek gegenseitig die Bälle zuwerfen und in den Songs „Evil Woman“ und „Strange Magic“ absolut stimmgewaltig zeigen.
Ein exzellenter Komödiant ist zudem Sebastian Narhofer, wie er als wunderbar affektierter Terpiscore genauso wie in der Rolle des Götterboten Hermes beweist. Mit ihrem Hang zum Komödiantischen und einer starken Bühnenpräsenz glänzen auch Sonja Kaßburg als Euterpe und Thetis, Denise Pöttker als Erato und Hera, Wiebke Billek als Discipulus und Stina Meiners als Thalia, während Can Teckert als Urania, Eros und Dream Danny durch seine Wandlungsfähigkeit besticht.
Optisch kommt die Produktion nahezu ohne Bühnenbild aus. Handlungsorte werden lediglich durch sparsam eingesetzte Projektionen sowie wenige Möbelstücke und Requisiten angedeutet und von Holger Kaßburg und Niklas Berentzen perfekt ins rechte Licht gerückt. Hübsch anzusehen sind darüber hinaus die Kostüme von Helgard Classen-Seifert.
Was „Xanadu“ in Meppen auszeichnet, sind eine homogene und starke Darstellerriege, eine großartige musikalische Umsetzung und eine stimmige Optik. So wurde aus einer schwachen Story ein wirklich trashiger Spaß, bei dem das Publikum zwei Stunden lang richtig gut unterhalten und mit einigen Ohrwürmern aus dem Saal entlassen wird.
Text: Dominik Lapp