Fantastisches Meisterwerk: „Die Zauberflöte“ in Berlin
Seit ihrer Premiere im Jahr 1994 ist August Everdings Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ (Libretto: Emanuel Schikaneder) an der Berliner Staatsoper Unter den Linden eine wahre Institution. Mit bisher 322 Vorstellungen und alljährlich ausverkauften Wiederaufnahmen hat diese Opernproduktion längst Kultstatus erreicht – und das zu Recht.
Besonderes Augenmerk liegt auf der historischen Ausstattung: Das Bühnenbild, basierend auf den Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel aus dem Jahr 1816 und realisiert von Fred Berndt, gehört zu den wohl bekanntesten Szenografien für die „Zauberflöte“ weltweit und findet sich auf Postkarten und in Büchern wieder. Ebenso ikonisch sind die detailverliebten Kostüme von Dorothée Uhrmacher, die sich ebenfalls auf historische Vorlagen von 1816 stützen.
Das Bühnenbild besteht aus zwölf einzelnen Bildern, jedes kunstvoll gestaltet aus mehreren Schichten. Es ist eine Hommage an ägyptische, mystische und freimaurerische Elemente, die Mozarts Werk durchziehen. Sarastros Welt wird durch weitläufige Gärten, wuchtige Tempelanlagen und einen malerischen See dargestellt, während die Kuppel der Königin der Nacht sogar in der Anordnung des Orchestergrabens reflektiert wird. Franz Peter Davids Lichtdesign verstärkt die Wirkung dieser Szenerien meisterhaft: Die Feuer- und Wasserproben von Pamina und Tamino sind visuell überwältigend, mit knisternd-lodernden Flammen und stürzenden Fluten, die aus einem blauen Tuch geformt werden.
Die Kostüme sind genauso eine Augenweide. Besonders hervorzuheben ist Papagenos bunter und federreicher Anzug mit einem Vogelkäfig auf dem Rücken. Sarastro und die Priester tragen weiße Gewänder, die Königin der Nacht und ihre drei Damen hingegen sind in schwarze Kleider gewandet, Tamino und Pamina sind als Prinz und Prinzessin gut erkennbar. In der Eröffnungsszene („Zu Hilfe!“) ist eine dreiköpfige Schlange zu sehen, die Feuer speit, später begegnen uns verzauberte Löwen, Krokodile und viele andere Gestalten. Ein Fest für alle Sinne, an dem sich die Erwachsenen im Auditorium genauso erfreuen wie die Kinder.
Die Musik der „Zauberflöte“ ist bekanntlich ein Geniestreich Mozarts, der damit bei der Uraufführung 1791 die Grenzen zwischen volkstümlicher Unterhaltung und tiefgründiger Kunst gesprengt hat. Sie verbindet Leichtigkeit mit Tiefe, Virtuosität mit schlichter Schönheit. Besonders beeindruckend ist die Vielfalt der musikalischen Stile – von der berührenden Innigkeit der Pamina-Arie „Ach, ich fühl’s“ oder Taminos Bildnis-Arie über die schwindelerregende Brillanz der Koloraturen der Königin der Nacht bis hin zur majestätischen Gravitas von Sarastros Partien. Unter Eva Ollikainens Leitung zeigt die Staatskapelle Berlin, wie vielschichtig und zeitlos diese Musik ist. Die feinsinnige Balance zwischen lebendigem, dramatischem Ausdruck und klarer Struktur lässt jedes Detail der Partitur leuchten, wofür die Dirigentin beim Schlussapplaus gefeiert wird.
Auch die Sängerinnen und Sänger überzeugen gesanglich wie schauspielerisch auf ganzer Linie. Regina Koncz als Königin der Nacht begeistert mit einer selten so klar und expressiv gehörten Rache-Arie, während Friedrich Hamel als Sarastro mit seinem sonoren Bass die Ruhe und Weisheit seines Charakters widerspiegelt. Evelin Novak als Pamina und Andrés Moreno Garcia als Tamino harmonieren wunderbar, ihre Soli und Duette sind ein wahrer Genuss.
Besonderen Applaus erntet zudem Carles Pachon als Papageno. Mit seinem grandiosen Gespür für Humor und einer ironischen, an die Berliner Kulturetat-Kürzungen angepassten, Textzeile in der Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ sorgt er für Lacher und Jubel. Aber auch mit seinen weiteren Spielszenen und Soli singt und spielt er sich in die Herzen des Publikums. Die junge Nachwuchssängerin Serafina Starke beeindruckt als Papagena mit frischer Energie, während Florian Hoffmann als Monostatos eine solide Leistung bietet.
Die drei Damen, stark gesungen von Anna Samuil, Katharina Kammerloher und Anna Kissjudit, sowie die beiden Geharnischten, ebenfalls stark gesungen von Johan Kroglus und Manuel Winckhler, fügen sich harmonisch in das Ensemble ein. Aber auch der Chor glänzt, wunderbar einstudiert von Gerhard Polifka.
Am Ende des Abends gibt es stehende Ovationen und die Hoffnung, dass diese exzellente Inszenierung noch viele weitere Jahre im Repertoire der Berliner Staatsoper zu sehen sein wird – denn sie bietet nicht nur eine ideale Möglichkeit, Kinder an die Oper heranzuführen, sondern ist auch ein Genuss für Opernerfahrene. Hier spürt man jederzeit die Freude aller Beteiligten auf der Bühne, aber auch im Publikum. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich dieses fantastische Meisterwerk nicht entgehen lassen.
Text: Dominik Lapp