„Die Zauberflöte“ in Hildesheim (Foto: Jochen Quast)
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Fröhlich, frech, feministisch: „Die Zauberflöte“ in Hildesheim

Ein Zirkus auf einer Wiese, bunt, schrill und voller Magie – so beginnt die Neuinszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ am Theater für Niedersachsen in Hildesheim. Regisseur Christian von Götz wirbelt das bekannte Werk gründlich durcheinander und präsentiert eine fröhlich-feministische Lesart, die das Publikum mitreißt – und manchmal auch herausfordert.

Statt einer märchenhaft-mystischen Welt mit Freimaurer-Symbolik erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer eine bunte Zirkustruppe, die Mozarts Oper als Spiel im Spiel auf die Bühne, nein, auf die Wiese bringt. Sarastro und Pamina treten dabei als eine Art Erzählerfiguren auf, kommentieren die Handlung, greifen ein, verschieben Perspektiven – und setzen klare Zeichen: Die frauenfeindlichen und rassistischen Textstellen im Libretto von Emanuel Schikaneder wurden gestrichen, geändert oder ironisch gebrochen, etwa durch pantomimische Darstellungen, die Sarastro erklärend einordnet.

Im Zentrum der Handlung steht diesmal nicht der heldenhafte Tamino, sondern Pamina, die als eigentliche Hauptfigur inszeniert wird. Sonja Isabel Reuter überzeugt in dieser Rolle mit Spielfreude sowie sauber geführtem Sopran und entwickelt ihre Figur zu einer selbstbestimmten Frau. Am Ende ist es auch Pamina, die von Sarastro den Sonnenkreis überreicht bekommt – eine starke Geste in einer Inszenierung, die konsequent auf weibliche Selbstermächtigung fokussiert ist.

„Die Zauberflöte“ in Hildesheim (Foto: Jochen Quast)

Das Bühnenbild von Regisseur Christian von Götz und die fantasievollen Kostüme von Amelie Müller bieten viel fürs Auge: ein goldener Konfettiregen im Finale, ein glitzernder Papageno mit buntem Federschmuck, der sich bei seiner ersten Arie spektakulär an einem Seil einschwingt, und eine Königin der Nacht mit ausladendem Nachthimmel-Kleid, die in die Höhe fährt – visuell wird hier nicht gespart. Auch wenn Marie Sofie Jacobs gesangliche Leistung in ihren beiden Arien solide, aber nicht überragend bleibt, ist ihr erster Auftritt als Königin ein echter Hingucker.

Yohan Kim als Tamino überzeugt mit technischer Sicherheit, auch wenn seiner Stimme etwas Strahlkraft fehlt. Andrey Andreychik als Papageno punktet mit Humor und Bühnenpräsenz, verliert aber wiederum durch hörbaren Akzent und eine teilweise unsaubere Artikulation. Zahra Sebnat als Papagena bringt Schwung in ihren kurzen Auftritt, während Julian Rohde seinen Monostatos wie die Karikatur eines Gewichthebers darstellt und mit sicherem Tenor glänzt. Die drei Damen (Steffi Fischer, Neele Kramer, Aline Réa) kommen stimmstark und stilvoll mit Vespercar angerollt, während die drei Knaben (Sophia Paesler, Frida Graen, Mina Riebau) als Harlekine mit jugendlicher Frische bezaubern.

Musikalisch führt Florian Ziemen das Orchester sicher und wohltuend durch den Abend. Mit feinem Gespür für die Balance zwischen Gesang und Orchester begleitet er die Sängerinnen und Sänger durch die teils komplexen und anspruchsvollen Passagen der Oper.

Mit seiner unkonventionellen Inszenierung gelingt Christian von Götz ein beachtliches Kunststück: Er entstaubt „Die Zauberflöte“, ohne sie zu entkernen. Zwischen Zirkusglitzer, feministischem Anspruch und musikalischer Präzision entsteht ein Opernabend, der Diskussionen anregt – und dabei über weite Strecken Spaß macht.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".